NSA-Überwachungsskandal: Politische Erregung und diplomatische Verärgerung in Berlin

Immer neue Details über Lauschangriffe der Amerikaner in Deutschland kommen ans Licht. Doch deutsche Geheimdienste wissen darüber offenbar nur wenig. Ein Untersuchungsausschuss des Bundestages könnte für Klarheit sorgen. Die Union ziert sich - noch.

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Von
  • dpa
NSA-Skandal

Die NSA, der britische GCHQ und andere westliche Geheimdienste greifen in großem Umfang internationale Kommunikation ab, spionieren Unternehmen sowie staatliche Stellen aus und verpflichten Dienstleister im Geheimen zur Kooperation. Einzelheiten dazu hat Edward Snowden enthüllt.

Der Unmut in Deutschland über immer neue Details der vermuteten Abhöraktionen des amerikanischen Geheimdienstes NSA wächst. Zur umfassenden Aufklärung der Affäre dringen SPD, Linke und Grüne auf einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Nach Medienberichten wusste US-Präsident Barack Obama seit 2010 von solchen Aktionen gegen Angela Merkel, schritt aber nicht ein. Schon 2002 stand Merkels Handy auf der Abhörliste der US-Späher. Doch deutschen Geheimdiensten blieb das offensichtlich verborgen.

Führende Vertreter von SPD, Grünen und Linken sprachen sich für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses des Bundestages aus. Ein solches Gremium sei "unvermeidlich", sagte SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann der Bild am Sonntag. "Nur Aufklärung kann das schwer gestörte Vertrauen in den Schutz der Privatsphäre wiederherstellen."

Zaudern

Unionsfraktionschef Volker Kauder sprach sich gegen einen Untersuchungsausschuss aus. "Nur ein geheim tagendes Gremium kann sich diesen Fragen wirklich intensiv widmen", sagte der CDU-Politiker der Welt am Sonntag. Das für die Geheimdienste zuständige Parlamentarische Kontrollgremium werde sich der Sache "mit der gebotenen Intensität noch einmal annehmen". In der ZDF-Sendung Berlin direkt fügte Kauder allerdings hinzu: "Wenn die zwei kleinen Oppositionsparteien den Untersuchungsausschuss wollen, haben wir gesagt, lassen wir das zu."

Der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach gab in der ARD-Sendung Bericht aus Berlin" zu bedenken, ein Untersuchungsausschuss müsste Zeugen aus den USA hinzuziehen können und bräuchte Akten und Urkunden zur Auswertung. "Ich fürchte, da werden wir nicht die Beweismittel haben, um das abschließend klären zu können."

Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt forderte die rückhaltlose Aufklärung des Späh-Skandals, "notfalls auch mit dem schärfsten Mittel des Parlaments, einem Untersuchungsausschuss". Dieser sei "umso unausweichlicher, je mehr die Bundesregierung sich gegen eine seriöse Aufklärung sperrt".

Die Bundesregierung bemüht sich unterdessen um Aufklärung durch die Amerikaner. Eine hochrangige Abordnung soll nach Washington reisen, um sich mit Vertretern des Weißen Hauses und des US-Geheimdienstes NSA zu treffen. Ein Termin dafür war am Sonntag noch nicht bekannt. Der Abordnung gehören der Geheimdienstkoordinator aus dem Kanzleramt sowie die Präsidenten von Bundesnachrichtendienst und Bundesamt für Verfassungsschutz an.

Ärger

Zudem wird er Ruf nach einem Stopp der Verhandlungen mit den USA über ein transatlantisches Freihandelsabkommen lauter – auch aus den Reihen von SPD und CSU. Der amtierende Außenminister Guido Westerwelle (FDP) erinnerte daran, dass auf deutschem Boden für jeden deutsches Recht gelte: "Für Deutsche und Ausländer, für Bürger und Unternehmen ebenso wie für Diplomaten und Botschaften." Abhören unter Freunden und Partnern gehöre sich nicht und sei – wie sich derzeit zeige – politisch höchst schädlich. "Ich hoffe sehr, dass diese Einsicht auch in Washington geteilt wird." Der amtierende Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich sagte der Bild am Sonntag: "Abhören ist eine Straftat, und die Verantwortlichen müssen zur Rechenschaft gezogen werden."

Die amtierende Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sprach sich für eine rasche Vereinbarung mit den USA über die Befugnisse der Geheimdienste aus. Für ein solches "No-Spy-Abkommen" könne es schon bald wieder zu spät sein, sagte sie im Deutschlandfunk. (jk)