Genomik-Push für die Insel

Großbritannien will die Genome von 100.000 Patienten sequenzieren lassen und damit seinen National Health Service modernisieren. Das bislang größte Forschungsprogramm dieser Art soll aber auch die britische Wirtschaft nach vorne bringen.

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Von
  • Susan Young

Großbritannien will die Genome von 100.000 Patienten sequenzieren lassen und damit seinen National Health Service modernisieren. Das bislang größte Forschungsprogramm dieser Art soll aber auch die britische Wirtschaft nach vorne bringen.

Die Sequenzierung von menschlichen Genomen ist heute schon fast eine Routine-Angelegenheit. Der Wettlauf zwischen dem Human Genome Project und Craig Venter Ende der 1990er Jahre um die erste Sequenzierung überhaupt mutet da wie eine Episode aus einem anderen Zeitalter an. Großbritannien will die Technologie, deren Kosten seit damals drastisch gefallen sind, nun konsequent ausnutzen und mit der Sequenzierung von 100.000 Patienten-Genomen das britische Gesundheitssystem modernisieren. Die Kosten des Programms werden mit 100 Millionen Pfund veranschlagt.

Durchgeführt wird das Projekt von der im Juni gegründeten Firma Genomics England. Man wolle die Anwendung der Gen-Medizin für den National Health Service (NHS) „transformieren“, sagt Mark Caulfield, leitender Wissenschaftler von Genomics England.

So könnte die Sequenzierung von NHS-Patienten mit seltenen Krankheiten deren Familien helfen, den Ursprung der Erkrankungen aufzuspüren. Genomics England will außerdem Krebsgewebe sequenzieren, damit Ärzte neue, wirksamere Medikamente gegen bestimmte Tumorarten finden können. Außerdem könnte das Projekt Licht in die Medikamtentenresistenz von Bakterien und Viren zu bringen. "Wir hoffen, dass Ende 2017, wenn die 100.000 Genome sequenziert sind, der NHS in der Lage ist, die Daten zu nutzen", sagt Caulfield.

Auch in anderen Ländern investieren Regierungen Geld in die Technologie, um ihre Gesundheitssysteme zu verbessern. Die Färöer etwa bieten bereits sämtlichen Bürger an, ihre Gene aufschlüsseln zu lassen, um die Verbreitung von Erbkrankheiten innerhalb der Inselbevölkerung zu verstehen.

Die USA finanzieren mehrere große Forschungsprojekte, die herausfinden sollen, wie sich die Gendaten medizinisch am besten verwerten lassen. China wiederum hat bereits 1999 das Beijing Genomics Institute gegründet, das sich zur produktivsten Einrichtung auf diesem Gebiet gemausert hat.

Das britische Projekt stellt diese Anstrengungen vom Umfang her allerdings in den Schatten. Mehr noch: Genomics England wird ab 2014 mit Sequenzierverfahren verschiedener kommerzieller Anbieter arbeiten, die kalifornische Firma Illumina beispielsweise ist mit ihren Standorten in England beteiligt. „Wir wollen damit den Wettbewerb im Markt stärken als ein Weg, die Preise so weit zu senken, dass die Technologie für alle verfügbar wird“, sagt Caulfield.

Dabei gehe es auch darum, die Genom-Medizin in Großbritannien nach vorne zu bringen. Deshalb will Genomics England weitere Sequenzier-Dienstleister dazu bewegen, Filialen im Vereinigten Königreich zu eröffnen. „Teil des Programms ist die Schaffung von Wohlstand, das heißt von Arbeitsplätzen in Großbritannien“, sagt Caulfield. 2015 sollen alle benötigten Sequenzier-Zentren einsatzbereit sein und dann jährlich rund 30.000 Genome analysieren.

Forscher aus aller Welt sollen später zwar Zugang zu den so gewonnenen Daten bekommen. „Die einzelnen Datensätze werden aber immer im NHS bleiben“, verspricht Caulfield. „Das Vertrauen der Öffentlichkeit hat für dieses Programm absoluten Vorrang.“

(nbo)