EU-Studie: Massenüberwachung durch Geheimdienste ist schwer kontrollierbar

Vor dem Hintergrund der NSA-Überwachungsaffäre wurde für eine EU-Studie die Überwachung in fünf EU-Ländern untersucht, darunter auch in Deutschland.

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Von
  • Christiane Schulzki-Haddouti

In Deutschland, Frankreich, Großbritannien und in Schweden gibt es groß angelegte Abhöraktionen oder Überwachung von Kommunikationsdaten durch Geheimdienste. Das ergab eine im Zuge der Snowden-Enthüllungen initiierte EU-Studie in fünf Ländern. Nur in dem fünften untersuchten Land, den Niederlanden, gibt es keine derartige Überwachung. In Auftrag gegeben wurde die Studie "Nationale Programme zur Massenüberwachung personenbezogener Daten in den EU-Mitgliedstaaten und ihre Kompatibilität mit EU-Recht" vom LIBE-Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres des Europäischen Parlaments, der unter anderem einen Untersuchungsausschuss zur NSA-Affäre eingesetzt hat.

Die Kapazitäten deutscher, französischer und schwedischer Geheimdienste seien denen der britischen und US-Geheimdienste deutlich unterlegen, ergab die Studie. Die Überwachungsprogramme bewegten sich nicht außerhalb europäischen Rechts, durch die Verflechtung der Geheimdienste in der EU untereinander sowie der europäischen mit den US-Geheimdiensten werde es aber erschwert, sie rechtlich zu überprüfen und zu kontrollieren. Die Rechtsaufsicht sei zudem durch mangelnde Kapazitäten und uneindeutige Regelungen und Schlupflöcher geschwächt.

Die Autoren der Studie empfehlen dem Europäischen Parlament, von den USA Erklärungen zu verlangen und die künftige Zusammenarbeit von Mitgliedstaaten mit der NSA prüfen. Bestehende Abkommen wie das SWIFT-Abkommen könnten suspendiert, die Verhandlungen zum transatlantischen Freihandels-Abkommen könnten vertagt werden. Das Parlament könnte auch Vorschläge wie die Anti-Fisa-Klausel, die nach intensivem Lobbying der US-Regierung aufgegeben wurden, wieder auf den Tisch bringen.

Zudem empfehlen die Autoren der Studie einen Rechtsrahmen für das "transnationale Datenmanagement" der Geheimdienste innerhalb der EU zu errichten, um nicht rechtmäßige Praktiken einzuschränken. Prinzipiell sollten etwa geheimdienstliche Aufklärungsmethoden das letzte Mittel sein, um an Informationen zu gelangen. Auch sollte es beim groß angelegten Datamining wichtig sein, verdächtige kriminelle Aktivitäten nicht mit dem Verhalten zu mischen, das einen anderen Lebensstil kennzeichnet. Dieses Prinzip sei zentral, weil bei einer Vermischung leicht ein Polizeistaat entstehen könne.

Das Europäische Parlament sollte außerdem einen Vorschlag der Universität Toronto prüfen, wonach ein Route-Tracking-Gerät dem Internet-Client eine schnelle oder "sichere" Route für E-Mails und andere Kommunikation vorschlagen soll. Damit könnten europäische Internetnutzer ihre Kommunikation und Daten innerhalb von Europa halten. Außerdem sollte die EU eigene Cloud-Computing-Kapazitäten entwickeln, um eine "Europäische Privacy Cloud" garantieren zu können.

Das Parlament soll die Kernpunkte der geplanten Datenschutzverordnung gegenüber dem Europäischen Rat verteidigen, heißt es in der Studie. Auf EU-Ebene soll es dafür sorgen, dass Geheimdienst-Enthüllungen besser untersucht und auch Konsequenzen daraus gezogen werden. So könnten etwa Geheimdienste bei einem wiederholten Verstoß gegen vereinbarte Richtlinien aus dem gemeinsamen Informationsaustausch ausgeschlossen werden. Außerdem sollen die Mindeststandards aus der Europäischen Menschenrechtskonvention konsequent durchgesetzt werden. Europäische Sicherheitsbehörden wie Europol sollen effektiver in Sachen Informationsaustausch überwacht werden. Zudem soll das Parlament erkunden, wie Whistleblower auf EU-Ebene geschützt werden können, etwa indem Immunität zugesichert und Asyl gewährt wird. Schließlich soll das Parlament weitere Untersuchungen zu großflächiger Überwachung in EU-Mitgliedstaaten in Auftrag geben. (anw)