Kunstfestival EMAF: Jeder ist sein Identitätsschmied

Auf dem 21. European Media Art Festivals (EMAF), das nach vier Tagen am Sonntagabend in Osnabrück endete, ging es auch um das Problem der digitalen Identität.

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Von
  • Detlef Borchers

Identität war das Thema des 21. European Media Art Festivals (EMAF), das am Sonntagabend in Osnabrück zu Ende ging. Neben der klassischen Schweinderl-Frage "Was bin ich" beschäftigte man sich an vier Tagen auch mit dem Problem der digitalen Identität. Referate, Kunstinstallationen und Filme kündeten von dem Problem, was im Zeitalter der allgegenwärtigen Überwachung und Datenspeicherung aus dem wird, der "Ich" sagt.

Vielleicht werden wir bald alle mit einem schicken "Vanity Ring" von Markus Kison am Arm herumlaufen, der fortlaufend das Google-Ranking einer Person zeigt und damit ihre Bedeutung in Digitalien reflektiert. Vielleicht werden wir auch nur evaporisieren wie in der Installation von Tatjana Matvejeva (PDF-Datei). Sie installierte in einem Treppenhaus Kameras, die die Benutzung der Treppe überwachen. Sobald eine Person stehen bleibt und sich nicht bewegt, startet ein Computerprogramm und rechnet die Personenpixel weg, damit das Treppenhaus sauber bleibt. Vielleicht wird das Echtzeit-Ich unwichtig werden und vom Avatar auf "Second Life" ersetzt, wie Martin Butler in seiner Schiesser-Show Girlfriend Experience zu zeigen versuchte. Auf jeden Fall muss sich jedermann in der Zukunft anstrengen, das Ich zu sichern, so könnte das Fazit des EMAF lauten.

"Wahnsinn, ich spreche mit meinem Computer. Und bekomme auch noch Beifall", amüsierte sich der französische Video-Künstler Neil Beloufa, der zur Preisverleihung des Experimentalkunst-Festivals via Webcam eingespielt wurde. Sein Science-Fiction-Dokumentarfilm "Kempinski" hatte da den Preis des Auswärtigen Amtes für interkulturellen Dialog gewonnen. Der im Dorf Mopti in Mali mit Laien aufgenommene Dokumentarfilm spielt in einer Zukunft, in der sich Außerirdische und Menschen friedlich vertragen, zumal die Leben der Außerirdischen in die Dinge gewandert sind: Die Autos haben ein Ich und sprechen ganz wie der Computer, vor dem Beloufa die Preisverleihung erlebt.

Nicht nur Installationen und Videos stellten die Identiätsfrage. Es gab auch Referate. Der Datenschutzaktivist padeluun vom FoeBuD beschäftigte sich mit der Frage, wie RFID-Chips Käufer-Identitäten produzieren und erzählte vor allem vom erfolgreichen FoeBuD-Scoop im Future Store der Metro AG. Padeluuns Auftritt dokumentierte eine Entwicklungsgeschichte des Osnabrücker Festivals: Als Aktionskünstler der Gruppe "Art d'Amebeublement pour les Bourgeois Nouveaux" trat padeluun vor zwanzig Jahren mit der Installation "Satie und Saté" auf, als die Veranstaltung noch "Internationaler Experimentalfilm-Workshop" genannt wurde.

Ganz anders als der vom Künstler zum Datenschützer gereifte padeluun nahm der Berliner Medienwissenschaftler Norbert Bolz das Identitätsthema in Angriff. Er hielt gewissermaßen ein Beta-Referat vor dem anstehenden deutschen Trendtag, das erklären sollte, warum nicht die Identität, sondern die Egonomie die treibende Kraft der Zukunft ist. Im Zeitalter der bedrohten Identität ist Bolz zufolge diese Egononmie, die der allgemeinen Aufmerksamkeitsökonomie unterliegt, ein beständiger Kampf des Ichs um Lebenssinn und Reputation. Dieser Kampf wird in der Zukunft vor allem auf drei Ebenen ausgetragen: Körper, Arbeit und Religion. Der Idealmensch ist am Ende ein im "Paradise of Work" aufgehender Workaholic in einer für das Internet produzierenden Firma, der in der Muckibude seinen Körper stählt und mit religiöser Hingabe seine Kharma-Punkte auf Slashdot (oder in einem anderen religiösen Setting) pflegt.

Etwas näher am digitalen Alltag referierte Ralf Bendrath von der TU Delft über das Problem unterschiedlicher Identity Layer, die im Internet angeboten werden. Ausgehend von zweifelhaften Angeboten wie ClaimID, bei denen ein Anbieter zu viele ID-Informationen sammeln kann, sprach sind Bendrath für ein anwenderzentriertes ID-Verfahren aus, über das ein Anbieter (oder auch ein Staat) keine Kontrolle hat. Gerade staatliche Angebote wie die deutschen Idee mit einem Bürgerportal können problematisch sein, weil aus der freiwilligen Bürger-Deanonymisierung ein Zwangssystem in Verbindung mit einer Realnamenspflicht entstehen kann.

Unter diesem Gesichtspunkt hielt Bendrath Ansätze wie die auf OpenID aufbauende zentrale finnische ID-Registratur für problematisch. Auch die mögliche Einrichtung von Pseudonymen hielt Bendrath für wenig überzeugend, weil aus den Hash-Werten mit entsprechenden Programmen möglicherweise die ursprünglichen Daten enttarnt werden können. Für Bürger, die sich aktiv um ihre Identität und den Schutz ihrer Identität kümmern wollen, verwies Bendrath auf das kommende Identitycamp in Bremen. (Detlef Borchers) / (anw)