Schweizer IT-Sicherheitsbehörde warnt vor Vormachtstellung der USA

Die Melde- und Analysestelle Informationssicherung der Schweizer Bundesregierung warnt in ihrem Halbjahresbericht, der umfassende Zugriff der US-Geheimdienste auf Kommunikationsinfratruktur werfe heikle sicherheitspolitische Fragen auf.

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Von
  • Tom Sperlich

Die IT-Sicherheitsbehörde der Schweizer Bundesregierung warnt in ihrem aktuellen Halbjahresbericht vor der Vormachtstellung der USA im IT-Bereich. Die herausragende Rolle der US-Unternehmen bei Informations- und Kommunikationstechnologien und die weitgehenden Kompetenzen der US-Behörden in Sachen Überwachung werfen heikle sicherheitspolitische Fragen für andere Staaten auf, heißt es in dem am Dienstag in Bern vorgestellten Report der Melde- und Analysestelle Informationssicherung (MELANI). Die USA wollten ihre "Vorherrschaft demonstrieren", sagte MELANI-Leiter Pascal Lamai in einer Radiosendung des SRF.

Die Tatsache, dass staatliche Stellen Zugriff auf die inländische Telekommunikationsinfrastruktur haben, sei freilich nichts Außergewöhnliches, heißt es im MELANI-Bericht weiter. Neu an den veröffentlichten Informationen von Snowden sei hingegen, dass die US-Nachrichtendienste nicht nur punktuellen Zugriff, sondern anscheinend systematisch und flächendeckend Zugang zu diesen Daten haben sollen. Dass US-amerikanische Geheimdienste Zugriff auf Daten haben, die auf den Servern großer US-Internetkonzerne wie Microsoft, Google oder Yahoo gespeichert sind, hatten etwa die Washington Post und der Guardian auf Basis der Snowden-Dokumente enthüllt. Die Konzerne haben dies stets abgestritten.

Berichten zufolge sollen die USA auf dem Dach ihrer ihrer Genfer UNO-Botschaft eine Abhörstation betreiben, wie sie auch auf der Berliner Botschaft vermutet wird. Auch Lamia geht davon aus, dass Washington an verschiedenen Orten Abhörstationen eingerichtet hat. Wie Schweizer Medien heute unter Berufung auf das Außenministerium (EDA) melden, wollen die USA angebliche Spionage-Aktivitäten in ihrem Genfer Konsulat nicht kommentieren. Das EDA hatte bereits am 10. Juni in einer diplomatischen Note die USA zu einer Stellungnahme aufgefordert.

Laut den Sicherheitsexperten der Schweizer Regierung hätte eine längerfristig andauernde Phase der Unklarheiten und Unberechenbarkeit unweigerlich zur Folge, dass Staaten auf eigene, unabhängige IKT-Lösungen setzen müssten. Doch sei das ineffizient und mit „ungebührenden Kosten für die Wirtschaft“ verbunden. Auch die internationale Staatengemeinschaft sei gefordert, diese Themen zu klären, heißt es in dem Report weiter. Die Schweiz müsse sich in bilateralen und multilateralen Foren, etwa in der UNO, dafür einsetzen, dass den USA ihre Grenzen aufgezeigt würden, sagte MELANI-Chef Lamia. Die Schweiz habe diesbezüglich bereits Kontakt zu anderen Staaten aufgenommen.

Weiter geht der MELANI-Bericht auf die bisher größte DDoS-Attacke ein, die sich sich im März dieses Jahres ereignete. Ziel war die in Genf ansässige Non-Profit-Organisation Spamhaus, welche sich mit der Bekämpfung von Spam und anderen Gefahren aus den Netzen beschäftigt. Über mehrere Tage hinweg lief der massive DDoS-Angriff (Distributed Denial Of Service) gegen die Website von Spamhaus. Auf seinem Höhepunkt erreichte er Datenraten von 300 Gbp/s. DDoS-Attacken seien zwar nichts Neues, schreibt MELANI, jedoch hätten diese in den vergangenen Monaten sowohl in der Anzahl als auch an Intensität zugenommen. Einige Quellen vermuteten, dass der Angriff so groß war, dass dieser kurzzeitig das gesamte Internet beeinträchtigte. MELANI konnte diese Vermutungen jedoch nicht bestätigen und zumindest in der Schweiz keine Beeinträchtigung des Internets feststellen. (vbr)