Die wundersame Tweet-Verkürzung

Die Durchschnittslänge der Botschaften, die über den populären Kurznachrichtendienst Twitter versendet werden, schrumpft. Wissenschaftler analysieren, warum das so ist.

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Von
  • TR Online

Die Durchschnittslänge der Botschaften, die über den populären Kurznachrichtendienst Twitter versendet werden, schrumpft. Wissenschaftler analysieren, warum das so ist.

Damals, in den guten alten Zeiten um 2009 herum, war Twitter noch ein verhältnismäßig unbekanntes soziales Netzwerk, das gerade erst damit begann, sich unter den Internet-Nutzern zu verbreiten. 2007 schickten die Twitter-User gerade einmal 400.000 Tweets pro Quartal, im Januar 2010 waren es bereits 65 Millionen pro Tag. Heute hat der Dienst 200 Millionen registrierte Nutzer, die rund 400 Millionen Kurznachrichten versenden – in einem Zeitraum von 24 Stunden.

In der kurzen Zeit seiner Existenz im Netz wurde Twitter derart populär, dass aus "twittern" längst ein Begriff in Wörterbüchern geworden ist. Worte wie "Hashtag" oder "@name" wären vor wenigen Jahren noch Kauderwelsch gewesen, nun kennt sie fast jeder Mensch mit Netzanschluss.

Und die Entwicklung von Twitter ist noch nicht abgeschlossen. Christian Alis und May Lim von der University of the Philippines haben nun gezeigt, dass sich das Kommunikationsverhalten der Nutzer weiter verändert. Die beiden Physiker haben die Entwicklung der Länge von Tweets in einem Zeitraum von drei Jahren gemessen und dabei festgestellt, dass die Botschaften im Durchschnitt sichtbar geschrumpft sind. "Die Leute kommunizieren mit weniger und kürzeren Worten."

Alis und Lim untersuchten auch, wie sich die Länge der Tweets in den USA von Bundesstaat zu Bundesstaat unterscheidet. Dazu haben sie geprüft, ob es potenzielle Verbindungen zur jeweiligen sozio-ökonomischen Lage gibt, wie sie die Statistiken des US Census Bureau beschreiben. Die Ergebnisse sind durchaus interessant.

Die beiden Forscher sammelten für ihre Studie insgesamt 229 Millionen Tweets zwischen dem 18. September 2009 und dem 14. Dezember 2012. Dann zählten sie die Länge jedes Tweets und setzten diese zum Publikationsdatum in Beziehung.

Die Verteilungskurve der durchschnittlichen Tweet-Längen zeigte dabei zwei Peak-Werte. Einer befindet sich in der Nähe des 140-Zeichen-Limits, das es pro Nachricht gibt. Das ist nicht weiter verwunderlich: Twitter-Nutzer können schlicht keine längeren Nachrichten verschicken. So mancher nutzt deshalb den verfügbaren Raum.

Der zweite Peak-Wert veränderte sich dagegen mit der Zeit. Zwischen November 2009 und Dezember 2012 reduzierte sich die mittlere Nachrichtenlänge von acht auf fünf Worte. Diese Verkürzung ist ein globales Phänomen, das sich durch den gesamten untersuchten Datensatz zog. Erfasst wurden allerdings nur Tweets in englischer Sprache. Links wurden entfernt – diese sind seit Einführung von Twitters hauseigenem URL-Verkürzerdienst sowieso üblicherweise auf 20 Zeichen beschränkt.

Nachdem sie den merkwürdigen Trend zur Verkürzung bemerkt hatten, forschten Alis und Lim nach den Ursachen. "Die kürzeren Tweets lassen sich potenziell mit der zunehmenden Verwendung von Jargonbegriffen erklären", sagen sie. Das legt nahe, dass sich Twitter-Nutzer mittlerweile mehr und mehr in Gruppen unterteilen lassen, die die gleiche Fachsprache verstehen.

Parallel untersuchten Alis und Lim auch noch einen Unterdatensatz mit 800.000 Tweets, die nach US-Bundesstaaten geocodiert waren. Die Anzahl der Tweets in jedem Staat korrelierte dabei mit der Bevölkerungsdichte laut dem Zensus von 2010.

Auch wenn man die Länge der Tweets auf einer Karte der USA anordnet, gibt es einen klaren geografischen Trend: "Menschen im Südosten und Osten der USA twittern kürzer." Warum das so ist, lässt sich noch nicht sagen.

Alis und Lim prüften zudem 51 weitere Variablen aus dem Zensus von 2010. Dabei wurde etwa geprüft, wie viele Personen in Prozent über 25 sind und einen High-School-Abschluss oder eine höhere Ausbildung haben. Ebenfalls abgefragt wurde der Hausbesitz in Prozent gerechnet auf die Gesamtbevölkerung sowie der Anteil der afroamerikanischen Bevölkerung. Verschiedene Gruppen nutzen mehr oder weniger Jargon, zeigen die Forscher.

Interessant an der Studie ist auch, dass es Hinweise darauf gibt, dass die Twitter-Nutzung existierende Sprachnormen verändert. Der ganze Jargon im Netz könnte auch unsere Standardkommunikation beeinflussen, meinen Alis und Lim. ()