Erde für die Welt

Ein Viertel aller Ackerflächen weltweit gelten als schwer in ihrer Fruchtbarkeit geschädigt. Ein altes Rezept der Amazonas-Ureinwohner soll das ändern.

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Von
  • Christoph Seidler

Ein Viertel aller Ackerflächen weltweit gelten als schwer in ihrer Fruchtbarkeit geschädigt. Ein altes Rezept der Amazonas-Ureinwohner soll das ändern.

Die lang gezogenen Haufen auf dem großen Kompostplatz gleichen sich nur auf den ersten Blick – denn jeder von ihnen besteht aus einer etwas anderen Mischung. Hier im Süden der Hauptstadt experimentiert der Botanische Garten Berlin mit Pflanzenerde aus eigener Produktion. "Bisher hat der Garten von den 2000 Kubikmetern Pflanzenabfällen, die pro Jahr anfallen, einen Großteil teuer entsorgt und gleichzeitig 300 Kubikmeter Kompost und Zuschlagerde eingekauft", sagt Robert Wagner, Koordinator des Projekts "TerraBoGa". Stattdessen wolle man nun gleich zweimal Geld sparen – mit Terra Preta, einem Bodenverbesserer mit langer Tradition.

Zum Einsatz kommen dabei neben den Gartenabfällen verschiedene Anteile von sogenannter Biokohle. Sie stammt aus der Verkohlung von Pflanzenabfällen unter Luftabschluss – und ist mit Grillkohle von der Tankstelle vergleichbar. Im Moment wird sie für die Versuche in Berlin eigens angeliefert, doch schon bald soll sie aus einer Pyrolyseanlage auf dem Gelände kommen. Die muss zwar Temperaturen von 800 Grad erzeugen, soll dabei aber sogar noch Energie produzieren, weil das aus den Pflanzenresten austretende Gas verbrannt werden kann.

Zu Pflanzenresten und Kohle kommen dann noch weitere, eher ungewöhnliche Zusätze hinzu: Fäkalien und Urin aus einem Komplex von Besuchertoiletten. Was am Ende herauskommt, gilt einigen als wahre Wundererde. Amazonas-Ureinwohner haben die Terra Preta genannte Mischung schon vor Jahrhunderten aus organischen Abfällen, menschlichen Fäkalien und Holzkohle zusammengerührt. Die Kohlepartikel halten dank extrem großer Oberfläche Wasser und Nährstoffe wie ein Schwamm fest – und geben sie nach und nach frei. Bei Versuchen in den Berliner Gewächshäusern hätten zum Beispiel Kaffee und Papayas von den Gemischen profitiert, sagt Robert Wagner.

"Die älteste neue Sache, von der Sie noch nie gehört haben", wirbt Wae Nelson vom Magazin "Florida Gardening" für den antiken Bodenverbesserer. Dessen positive Eigenschaften werden dringend gebraucht. Zwar stieg die weltweite Agrarproduktion nach Angaben der Vereinten Nationen binnen 50 Jahren um den Faktor zweieinhalb bis drei – bei nur zwölf Prozent mehr Anbaufläche. Doch der Preis dafür war hoch: Global gelten ein Viertel aller Ackerflächen als massiv geschädigt. Schuld sind Überdüngung und exzessive Bewässerung. Die UNO schätzt, dass weltweit jedes Jahr Ackerfläche von der dreifachen Größe der Schweiz verloren geht – und so Kosten von 490 Milliarden Dollar entstehen.

Ein Großversuch deutscher Forscher soll nun zeigen, inwieweit die Amazonas-Mischung bei der Lösung dieser Probleme helfen kann. Im sandigen, nährstoffarmen Boden des niedersächsischen Wendlands testen Agrarwissenschaftler der Universität Halle gezielt die Effekte der Zusatzstoffe. Auf 50 jeweils 72 Quadratmeter großen Parzellen prüfen sie bis zum Jahr 2015, welche Nährstoffmischungen Mais oder Roggen besonders üppig sprießen lassen und den Boden nachhaltig verbessern.

Wie teuer der Einsatz von Terra Preta in der Pflanzenproduktion ist, dazu gibt es bislang nur wenige Daten. Eine Auswertung aus Österreich kommt auf Gesamtkosten von etwa 1500 Euro pro Hektar. Die Preise dürften aber stark von den lokalen Gegebenheiten abhängen, kostspielig ist vor allem die Herstellung der Pflanzenkohle.

"Ein Wundermittel ist Terra Preta nicht, auch wenn man das immer wieder hört", sagt Katja Wiedner von der Universität Halle. Aber erste Ergebnisse der Versuche im Wendland legen immerhin nahe, dass mit ihr behandelte Parzellen tatsächlich etwas höhere Erträge liefern als solche mit Mineraldünger. Auf den Mais-Parzellen mit klassischem Dünger kamen im ersten Testjahr Erträge von sechs Tonnen pro Hektar zusammen, bei Terra-Preta-Substraten waren es – je nach Mischung – sieben bis neun Tonnen pro Hektar. "Es hängt sehr stark von den Bedingungen ab, ob Terra Preta tatsächlich Vorteile bringt", betont Wiedner. (bsc)