LG Offenburg: Ermittlung von Tauschbörsennutzern durch Staatsanwaltschaft oder Polizei ist zulässig

Das Landgericht Offenburg hält es aufgrund der neuen Vorschriften zur Vorratsdatenspeicherung nicht mehr für nötig, dass Staatsanwälte oder Polizisten eine richterliche Anordnung zur Providerauskunft einholen.

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Von
  • Holger Bleich

Durch die Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung ist es nach Ansicht des Landgerichts Offenburg nicht mehr notwendig, dass Ermittlungsbehörden für bestimmte Auskunftsersuchen bei Providern eine richterliche Anordnung einholen. Das geht aus einer Entscheidung (Az. 3 Qs 83/07) der 3. großen Strafkammer des Gerichts hervor. Hintergrund ist ein vorangegangener Beschluss bezüglich der Ermittlung von Tauschbörsennutzern, mit dem das Amtsgericht (AG) Offenburg bundesweit für Aufsehen gesorgt hatte.

Das Amtsgericht hatte der Staatsanwaltschaft Offenburg eine richterliche Anordnung versagt, um beim Provider die hinter einer dynamischen IP-Adresse stehende Person zu erfragen. Hätte dieses Beispiel Schule gemacht, wäre die Strafanzeigenmaschinerie der Medienindustrie erheblich ins Stocken geraten. Der ermittelnde Staatsanwalt in Offenburg wollte für derlei Auskunftsbegehren eine sichere Rechtsgrundlage und legte wohl daher im August 2007 Beschwerde gegen den Beschluss beim Landgericht (LG) Offenburg ein.

Diese Beschwerde verwarf das Landgericht mit Hinweis auf eine neue Rechtslage. In der Begründung führt die 3. große Strafkammer des Gerichts sinngemäß an, dass sich die Lage mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen im Januar 2008 geändert habe. Es sei für die Ermittlungsbehörden nicht mehr notwendig, eine richterliche Anordnung gemäß Paragraf 100 der Strafprozessordnung (StPO) einzuholen.

Knackpunkt in der Begründung ist die Einordnung der zu ermittelnden Daten. Handelt es sich um so genannte Verkehrsdaten, steht die Providerauskunft unter Richtervorbehalt. Geht es aber um Bestandsdaten, sind Staatsanwaltschaften und auch die Polizei auskunftsberechtigt. Das LG Offenburg geht nun davon aus, dass es sich bei Name und Postanschrift eines Providerkunden um Bestandsdaten im Sinne des Paragrafen 3 Abs. 3 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) handelt. "Ausdrücklich ist dies allerdings auch der jetzt geltenden Fassung des TKG oder der StPO nicht zu entnehmen", betonen die Richter.

Weil das neue Gesetz keine klärenden Begriffsbestimmungen enthält, hat sich die Strafkammer ihrer Begründung zufolge für "die Gesetzesauslegung mit den anerkannten Auslegungsmethoden" entschieden, nämlich den Gesetzgebungsprozess zur Vorratsdatenspeicherung begutachtet. Und aus einer Beschlussempfehlung des Bundestagsrechtsausschusses vom 07. November 2007 gehe hervor, dass der Gesetzgeber vorgesehen hat, auf Vorrat gespeicherte Daten wie eine dynamische IP-Adresse "auch für eine Auskunftserteilung über Bestandsdaten nach Paragraf 113 TKG" freizugeben.

Folgt man dieser Auslegung, ist die Auskunftserteilung auch nicht durch jene einstweilige Anordnung des Bundesverfassungsgerichts tangiert, die den Behördenzugriff auf die Vorratsdaten außer bei schweren Straftaten verbietet. Denn hier ist nur der Zugriff auf Verkehrsdaten, nicht aber auf Bestandsdaten gemäß des neuen Paragrafen 113 Satz 1 Halbsatz 2 TKG geregelt. Gemäß der rechtskräftigen Entscheidung des Landgerichts Offenburg müssen Provider folglich sowohl Staatsanwaltschaft als auch Polizei jederzeit Auskunft zu Anschlussinhabern hinter IP-Adressen geben. (hob)