Whistleblower-Netzwerk sieht massiven Nachholbedarf für Hinweisegeberschutz in Deutschland

Die Situation von Whistleblowern in Deutschland sei noch deutlich schlechter, als dies einem Bericht von Transparency International zum Whistleblowerschutz in 27 EU-Staaten zum Ausdruck kommt, meint das Netzwerk.

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Von
  • Christiane Schulzki-Haddouti
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Das Whistleblower-Netzwerk sieht in Deutschland einen "massiven Nachholbedarf" für den Schutz von Hinweisgebern. "Die Situation von Whistleblowern in Deutschland ist leider noch deutlich schlechter, als dies in der von Transparency International vorgestellten Zusammenfassung zum Whistleblowerschutz in 27 EU-Staaten zum Ausdruck kommt," sagt Guido Strack vom Whistleblower-Netzwerk. Transparency International hatte diese Woche den Bericht über Whistleblowing in Europa vorgestellt.

Die Einstufung Deutschlands in der Zusammenfassung der Studie in die mittlere von drei Gruppen sei schönfärberisch, meint Guido Strack. So gebe es in vielen anderen Staaten der gleichen Gruppe aktive Bemühungen, den gesetzlichen Whistleblowerschutz zu verbessern. In Irland beispielsweise wird ein Gesetz wahrscheinlich noch vor Ende 2013 verabschiedet. In Deutschland gebe es keine ähnlichen Bestrebungen.

Strack kritisiert, dass Deutschland neben Tschechien der einzige EU-Mitgliedstaat sei, der die UN-Konvention gegen Korruption bis heute nicht ratifiziert habe. Die Konvention verpflichtet die Staaten dazu, einen gesetzlichen Whistleblowerschutz einzurichten. Außerdem habe der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Deutschland verurteilt, weil das Grundrecht einer Hinweisgeberin auf Meinungsfreiheit verletzt wurde.

Zudem hat der Europarat Deutschland wegen fehlender Unabhängigkeit der Justiz kritisiert. Die Einstellung und die Karriereentscheidungen über Richter werden nämlich weitgehend von der Exekutive getroffen. Zudem ist die Staatsanwaltschaft weisungsgebunden. Außerdem ist Deutschland neben Italien der einzige Mitgliedstaat, in dem es keinen Ombudsmann auf Bundesebene gibt. Ein typischerweise beim Parlament angesiedelter, unabhängiger Ombudsmann prüft Beschwerden von Bürgern über Staats- und Verwaltungsangelegenheiten und könnte so auch Ansprechpartner für Whistleblower sein.

Strack bezeichnet außerdem die Whistleblowing-Regelung für Beamte in Deutschland als "unzureichend". So gebe es keine Schutzregelungen, sondern "nur eine minimale Auflockerung der ansonsten immer noch straf- und disziplinarbewehrten Verschwiegenheitspflicht bei Anzeigen gegenüber Strafverfolgungsbehörden". Diese gelte nur für sieben Delikte des Strafgesetzbuchs im Bereich Bestechung und Vorteilsannahme. Ein Dienstvergehen sei es daher, wenn ein Beamter eine andere Straftat wie etwa Kindesmissbrauch, Urkundenfälschung oder Betrug anzeigt.

Der Umgang mit dem Whistleblower Edward Snowden zeige, dass das Thema Whistleblowerschutz offenbar kein Thema für die Große Koalition ist. Die SPD kritisiert Guido Strack dafür, dass sie das Thema Whistleblowerschutz in den Koalitionsverhandlungen offenbar opfern wolle. So tauche das Thema in einer Pressemitteilung des SPD-Verhandlungsführers für Verbraucherschutz, Ulrich Kelber, über erste Ergebnisse der Koalitionsverhandlung nicht mehr auf. "In den nächsten vier Jahren wird sich in punkto gesetzlicher Whistleblowerschutz nichts tun", resümiert Guido Strack die Situation. Als müsse es erst zu einem großen Skandal mit vielen Todesopfern kommen, der alle noch einmal aufrüttelt. (anw)