Ein neues Bild der Erde: Satellit GOCE ist verglüht

GOCE war fast dreimal so lange unterwegs wie geplant. Über vier Jahre hat der Satellit das Schwerefeld der Erde vermessen - und dabei ein neues Bild der Welt gezeichnet. Jetzt ist er in der Atmosphäre verglüht.

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Von
  • dpa

Die Daten von GOCE ergeben ein etwas anderes Bild der Erde

(Bild: ESA)

Der Satellit GOCE ist nach vierjähriger Mission in der Atmosphäre verglüht. Er ist am frühen Montagmorgen in die Atmosphäre eingetreten, teilte die Europäische Raumfahrtbehörde Esa mit. Der fünf Meter lange und 1,2 Tonnen schwere Satellit zerbrach beim Herabstürzen in mehrere Teile. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass einige kiloschwere Stücke zur Erde fielen. Schäden wurden aber zunächst nicht bekannt. Dutzende Satelliten endeten bereits ähnlich, ohne dass es Unfälle gab.

GOCE hatte ein neues Bild der Erde gezeichnet. Mit Messungen des Schwerefelds in zuvor unerreichter Genauigkeit lieferte er erstmals ein weltweites einheitliches und zentimetergenaues Höhenprofil. Unter anderem können damit unterschiedliche Höhenangaben von Bergen vereinheitlicht und Probleme bei Bauvorhaben besser gelöst werden. Die Daten dokumentieren auch den Anstieg des Meeresspiegels und Strömungsveränderungen, die für Klimamodelle wichtig sind. GOCE registrierte auch Infraschallwellen, die das schwere Erdbeben im März 2011 in Japan ausgelöst hatte.

In immer gleicher Höhe über der Erde ermittelte der Satellit die unterschiedliche Erdanziehung mit feinen Beschleunigungsmessern, die kleinste Veränderungen der Gravitationsbeschleunigung aufspüren. Das Ergebnis: Die Erde ist nur annähernd eine Kugel. In zehntausendfacher Übersteigerung sieht sie vielmehr aus wie eine Kartoffel. Die unterschiedliche Stärke des Schwerefeldes bewirkt auf den Ozeanen Wölbungen und Eindellungen.

Der Meeresspiegel bietet keineswegs einen einheitlichen Höhen-Nullpunkt. Die Länder orientieren sich an lokalen Meereshöhenmessungen an Küsten und haben daher keinen gemeinsamen Nullpunkt. Die Franzosen beziehen sich auf den Pegel in Marseille, die Engländer auf jenen in Newlyn und die Deutschen auf Amsterdam.

Die US-Mission GRACE hatte bereits ähnliche Ergebnisse erbracht. Die Genauigkeit von GOCE ist aber weit größer. Mitte nächsten Jahres wollen die Wissenschaftler die letzte Auswertung vorlegen. Die Höhengenauigkeit soll dann nach Angaben der koordinierenden Technischen Universität München bei zwei Zentimetern liegen. Die Abkürzung GOCE steht für Gravity Field and Steady-State Ocean Circulation Explorer.

GOCE sollte ursprünglich nur eineinhalb Jahre in der Umlaufbahn kreisen. Doch wegen geringer Sonnenaktivität reichte der Treibstoff fast dreimal so lang. Eine hohe Aktivität hätte den Satelliten früher abgebremst. Im Oktober ging der Sprit endgültig aus. Seitdem warteten die Forscher auf den Wiedereintritt in die Atmosphäre – doch auch hier ließ sich der Satellit mehr Zeit als erwartet: Anstatt nach zwei verglühte er nun erst nach drei Wochen.

[Update 11.11.2013 12:29]:

GOCE ist um 01:23 Uhr MEZ über dem südlichen Atlantik südlich der Falklandinseln zerborsten, teilte die ESA inzwischen mit. Der Satellit zerbrach in mehrere Teile, die Wissenschaftler gehen davon aus, dass etwa ein Viertel der Masse die Erdoberfläche erreichte. "Wir werden nie wissen, wie viele Teile es waren", sagte der Esa-Sprecher für Erdbeobachtungen, Robert Meisner. Wie erwartet habe es keine Schäden gegeben. Die Gefahr von einem herabfallenden Teil getroffen zu werden war nach Esa-Angaben extrem gering - ein Lottogewinn sei 250.000 Mal wahrscheinlicher, hatte es geheißen. Dennoch hatten italienische Medien teils vor den Teilen gewarnt. Wer besonders vorsichtig sein wolle, solle besser im Haus bleiben, schrieb etwa der Corriere della Sera am Sonntag unter Berufung auf den Zivilschutz.

"Der eine Tonne schwere GOCE-Satellit macht nur einen Bruchteil der 100 bis 150 Tonnen an vom Menschen produzierten Weltraumobjekten aus, die jedes Jahr einen Wiedereintritt in die Erdatmosphäre vollführen", sagte der Leiter des Esa-Büros für Weltraumtrümmer, Heiner Klinkrad. "In den 56 Jahren seit Beginn der Raumfahrt sind etwa 15.000 Tonnen an von Menschenhand gemachten Weltraumobjekten wieder in die Erdatmosphäre eingetreten, ohne dass jemals Menschen verletzt wurden." (jk)