Noch viele offene Fragen bei Kinderporno-Sperren

Das Bundeskriminalamt hat Anforderungen an die vom Bundesfamilienministerium gewünschte Blockade kinderpornographischer Webseiten gestellt. ­Die Provider fühlen sich "über den Tisch gezogen".

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Das Bundeskriminalamt (BKA) hat Internetprovidern und Branchenverbänden bei einem Treffen am Freitag seine Anforderungen an die geplante Sperrung kinderpornographischer Webseiten mitgeteilt. Laut einer heise online vorliegenden Spezifikationsbeschreibung will das BKA den Zugangsanbietern keine konkreten Vorgaben für die Technik der Blockade machen. Allerdings müsse jeder Zugriffsversuch auf die in einer vom BKA erstellten Sperrliste aufgeführten DNS-Einträge (Domain Name System) auf eine "Stopp-Seite" umgeleitet werden.

Abgesehen davon sei sicherzustellen, dass Strafverfolgungsbehörden ungefilterten Zugang zum Internet haben. Dies könne über die Einrichtung eigener DNS-Server für die Ermittler gewährleistet werden. Als Übertragungsstandard für die Filterlisten bevorzugt das BKA E-Mail, als Austauschformat eine Excel-Tabelle. Von einer Verschlüsselung ist in dem Papier nicht die Rede. Weiter erwarten die Fahnder, dass die aufgeführten Webadressen "spätestens sechs Stunden nach Zustellung seitens des Providers blockiert sind".

Zur Kontrolle der Wirksamkeit der Sperrmaßnahmen und voraussichtlich auch zur Abwehr unberechtigter Haftungsansprüche wünscht das BKA Statistiken über die Anzahl der Blockierungen. Die Daten sollten auch die Seiten enthalten, von der aus ein Nutzer auf eine gesperrte Adresse zu gelangen suchte. Mit Hilfe dieser sogenannten Referrer wäre es laut der Beschreibung möglich, auch die Ausgangsdomain auf kinderpornographische Inhalte zu überprüfen und gegebenenfalls mit auf die Liste zu setzen. Die Stopp-Seite hält das BKA für unverzichtbar, da sie den Betroffenen sowie Seitenbetreibern Beschwerdemöglichkeiten gebe und zudem "generalpräventiven", abschreckenden Charakter entfalte. Der Betrieb der Warnseite durch das BKA komme nicht in Betracht, da die Ermittler so "personenbezogene Daten aus Zugriffsversuchen" erhalten könnten. Dies sei "nicht gewollt".

Die Wirtschaftsvertreter setzten dem entgegen, dass der ungefilterte Zugang für das BKA in der Verantwortung dessen Provider liege und nicht Gegenstand der Sperrvereinbarung sein könne. Die Vertreterin des BKA musste zudem einräumen, dass schon durch den Stopp-Server die Listeneinträge ermittelt werden könnten. Dies sei aber nicht so schlimm, da die geführten Adressen flüchtig seien und sich häufig ändern würden. Ein großer deutscher Provider führte weiter aus, dass die Umsetzung des Konzepts etwa sechs Monate brauche und dafür ein mehrfacher Millionenbetrag anzusetzen sei. Die geforderte Stopp-Seite stoße zudem auf datenschutzrechtliche Bedenken, da die Anbieter damit gegen das Telemediengesetz (TMG) verstoßen müssten. Ein anderer Zugangsanbieter aus dem Kabelbereich wies auf das Problem einer zusätzlichen strafrechtlichen Verantwortlichkeit bei DNS-Sperren hin.

Angesichts der Rechtsunsicherheiten sieht Michael Rotert, Präsident des Verbands der deutschen Internetwirtschaft eco, schwarz für die Provider: "Die Verantwortung wird an uns hängen bleiben." Er forderte gegenüber heise online die Einschaltung des Bundesjustizministeriums und des Bundesdatenschutzbeauftragten in die weiteren Gespräche. Besonders empört zeigte sich Rotert darüber, dass Strafverfolger den Zugangsanbietern bei einer ersten Runde der im Januar auf Drängen von Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) eingerichteten Arbeitsgruppe wie schon vorher der Presse "unverpixelte Kinderpornographie" gezeigt hätten. Es sei "ganz übler Stil", wenn das BKA mit derlei Bildern "hausieren gehen muss" und die Provider "über den Tisch ziehen" wolle.

Dass es bei dem Vorhaben nicht um Opferschutz gehe, zeigt laut Rotert eine Übersicht der bekannt gewordenen Filterlisten aus den skandinavischen Ländern. Demnach stehen allein in Deutschland 26 einschlägige Server, gegen die die Polizei direkt vorgehen könne. Das BKA mache also nicht seine Hausaufgaben. Insgesamt gehe es von der Leyen offenbar darum, mit dem sensiblen Thema Wahlkampf zu machen. Dass dabei die "Büchse der Pandora" geöffnet werde und bald auch etwa die Rechteinhaber mit Sperrforderungen vor der Tür stünden, falle unter den Tisch.

Mehr zum Thema finden Sie in der aktuellen c't 4, die jetzt am Kiosk liegt, auf Seite 80: "Filter gegen Kinderporno-Sites". (anw)