Italienisches Finanzministerium veröffentlichte Einkommenssteuererklärungen aller Bürger

Die angestrebte "Transparenz" der scheidenden Regierung wurde nach wenigen Stunden vom Datenschutzbeauftragten unterbunden.

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Von
  • Florian Rötzer

Am Mittwoch hat der italienische Datenschutzbeauftragte Francesco Pizzetti das Finanzministerium angewiesen, die Einkommensteuererklärungen der Bürger nicht länger im Internet zugänglich zu machen. Die Webseite war am Dienstag überflutet worden von Anfragen neugieriger Italiener, die nachschauen wollten, wie viel ihre Nachbarn und Bekannten oder Prominente im Jahr 2005 verdient haben. Nach zahlreichen Protesten von Bürgern und dem Einschreiten des Datenschutzbeauftragten wurde die Seite wieder abgeschaltet. Allerdings war sie schon kurz nach der Freischaltung so überlastet, dass sie schon aus diesem Grund kaum mehr zugänglich war.

Man nimmt an, dass die scheidende Mitte-Links-Regierung mit der Aktion noch einmal ein Zeichen setzen wollte. Auf der Webseite waren alphabetisch die Einkommenssteuererklärungen mitsamt Namen, Geburtstagen und Adressen veröffentlicht worden. Man musste nur wissen, in welchem Finanzamt die Einkommenssteuererklärung eingereicht worden ist, um die Informationen zu erhalten. Finanzminister Vincenzo Vesci sagte, er sehe darin keine Probleme. Das sei eine Frage der Demokratie und der Transparenz. Man habe den Zugang zu den Informationen bereits im Januar starten wollen, aber dann noch gewartet, um Kontroversen im Wahlkampf zu vermeiden. Massimo Romano, der Leiter der Finanzbehörde, erklärte, die Veröffentlichung liege "im öffentlichen Interesse, um den freien Informationsfluss auf der Grundlage der Transparenz zu ermöglichen". Man habe in Übereinstimmung mit den Richtlinien des Datenschutzbeauftragten gehandelt. Romano strebte schon 1999 einmal eine ähnliche Transparenz an und war damals gescheitert.

Der Datenschutzbeauftragte stritt ab, über den Schritt informiert worden zu sein, und erklärte, dass es "klare und schwerwiegende" Verletzungen von Gesetzen gebe. Die Medien wurden gebeten, keine Informationen zu veröffentlichen, solange die eingeleitete rechtliche Überprüfung noch nicht abgeschlossen ist. Die Medien haben sich nicht immer daran gehalten. So teilte die Zeitung Corriere della Sera mit, dass Luciano Benetton ein zu versteuerndes Einkommen von 1.635.722 Euro oder der bekannte Komiker Beppe Grillo von 4.272.592 Euro angegeben habe

Der populäre Komiker und einflussreiche politische Weblogger Grillo war davon gar nicht angetan und kritisierte das Finanzministerium heftig: "Nach der Amnestie, durch die die Gefängnisse des Landes geleert wurden, bietet diese dumme scheidende Regierung den Kriminellen Informationen über die Einkommen der Steuerzahler an und gibt ihnen die Adressen". Auf Kritik stieß die Aktion etwa auch bei der Verbraucherschutzorganisation Adoc. Es handele sich um eine offensichtliche Verletzung des Datenschutzes, die zudem Kriminellen Informationen in die Hand gebe. (fr)