Ex-Bundespostminister: Liberalisierung ist "einzigartige Erfolgsstory"

Christian Schwarz-Schilling brach bei der Feier von 15 Jahren Wettbewerb im Telekommunikationsmarkt eine Lanze für die Liberalisierung und ein offenes Netz. Die von der Telekom beklagte Zugangsregulierung müsse erhalten bleiben.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 82 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.

Christian Schwarz-Schilling hat bei der Feier von 15 Jahren Wettbewerb im Telekommunikationsmarkt eine Lanze für den eingeschlagenen Weg und ein offenes Netz gebrochen. Die Liberalisierung sei eine "einzigartige Erfolgsgeschichte", sagte der frühere Bundespostminister am Mittwoch bei der Festveranstaltung des Verbands der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM) in Berlin. Heute sei unbestritten, dass die verschiedenen Maßnahmen der Postreform den Menschen, den Unternehmen und den Verbrauchern "ein Stück Freiheit" gebracht haben.

Die Hauptziele der Liberalisierung sind erreicht worden, findet Ex-Minister Christian Schwarz-Schilling.

(Bild: Stefan Krempl)

Durch die 1984 von einer Regierungskommission vorbereitete Aufhebung der Monopole der Post und des Sprachmonopols der Deutschen Telekom 1998 seien eine Vielzahl an Produkten und Erfindungen entstanden, die den Nutzern ein neues Kommunikationszeitalter beschert habe, führte der CDU-Politiker aus. Kleine, innovative Unternehmen aus der neuen Branche hätten eine unübersehbare Zahl neuer Arbeitsplätze geschaffen. Die Verbraucher hätten einen Preissturz erlebt, der bei derlei Reformen sonst selten auftrete und sich nicht wieder umgekehrt habe. Telefongespräche kosteten nur noch sechs Prozent gegenüber Monopolzeit. Die Aufforderung "Fasse dich kurz", die früher an Telefonhäuschen geklebt habe, gelte nicht mehr. Im Mobilfunk sei eine Entwicklung in die gleiche Richtung festzustellen.

Die Hauptziele der Liberalisierung seien erreicht worden, hielt Schwarz-Schilling fest. Es sei ein funktionsfähiger Wettbewerb geschaffen worden, da die Regulierungsbehörde den Netzzugang offen gehalten habe. Es seien enorme Innovationspotenziale der deutschen Wirtschaft freigesetzt worden. Zudem seien die Verbraucher in die Lage gesetzt worden, die vorerst nur im Ausland verfügbare Vielfalt an Geräten wie schnurlosen Handhelds und Diensten zu entsprechend niedrigeren Preisen zu erhalten.

Nicht vorhergesehen habe die Politik in den 80ern und den 90ern die mit dem Internet überragend gewordene Datenkommunikation, räumte Schwarz-Schilling ein. Die "technologische Revolution" des Internetprotokolls(IP habe mit der Trennung von Transport und Anwendung die zunächst versäumte Trennung von Netz und Diensten Wirklichkeit werden lassen.

Um diesen Grundsatz zu erhalten, sei die Weiterentwicklung des "Best Effort"-Prinzips eine wichtige Voraussetzung, wonach im Sinne der Netzneutralität alle Datenpakete möglichst mit gleicher Priorität unabhängig etwa von Quelle oder Inhalt transportiert werden sollen. Er hoffe, dass sich die künftige Regierung entschlossen dafür einsetze. Der EU-Kommission dankte Schwarz-Schilling für ihre „Pionierarbeit", ohne die die Liberalisierung sehr viel langsamer vorangegangen wäre. Als "Schnellschuss" kritisierte er dagegen den neuen Vorstoß aus Brüssel für einen digitalen Binnenmarkt. Die damit beschworene Größe von TK-Firmen sei an sich kein Rezept für Zukunftsfähigkeit.

Die ehemaligen Monopolunternehmen schienen Brüssel davon überzeugen zu wollen, dass Investitionen in den Netzausbau am besten durch kleine Gruppe großer Betreiber zu leisten sei. Dies widerspreche aber allen Erfahrungen der vergangenen Jahre. So seien regionale und kleinere Wettbewerber führend beim Glasfaserausbau; sie könnten höhere Synergieeffekte etwa mit Energieversorgern nutzen und hätten einen längeren Investitionshorizont als börsenorientierte Tanker. Der Telekom warf er vor, Milliarden durch Auslandsgeschäfte wie den Ausflug der T-Mobile in die USA verschleudert zu haben, die nun nicht für den Ausbau zur Verfügung stünden.

VATM-Präsident Peer Knauer betonte zum Jubiläum des Verbands der Wettbewerber, dass diese den Markt seit Ende der 90er "aufgerollt" hätten. Der gesamtwirtschaftliche Anteil des Breitbandausbaus am Bruttoinlandsprodukt habe in den vergangenen zehn Jahren 41 Prozent betragen, 55 Prozent davon gingen auf das Konto der Wettbewerber. "Wir verdanken die Erfolgsgeschichte auch einer umsichtigen Regulierung", sagte Knauer. Für Wolf-Dietrich Grussmann von der EU-Kommission stellte sich die Frage nach neuen Regulierungsrezepten, da die "vielen Erfolgsstories" im TK-Markt in der letzten Zeit auf sich warten ließen. "Regulierungsferien" für Alt-Monopolisten wie die Telekom erteilte er aber eine klare Absage. (axk)