Segeln mit dem Stahlrumpf

Forscher aus Norwegen haben ein Schiff entwickelt, bei dem der gesamte Rumpf als Segel dient.

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Von
  • Hanns-J. Neubert

Forscher aus Norwegen haben ein Schiff entwickelt, bei dem der gesamte Rumpf als Segel dient.

Für den norwegischen Erfinder Terje Lade bedeutet Innovation nicht, alte Schifffahrtstechniken nur weiterzuentwickeln und Hightech-Variationen von Segeln auf konventionelle Schiffe zu montieren. Er macht gleich das Schiff selbst zum Segel. So abstrus diese Idee auf den ersten Blick erscheint, so naheliegend ist sie eigentlich.

Lades "Windschiff" sieht aus wie ein senkrecht aus dem Wasser ragender, gewaltiger Flugzeugflügel, oben abgeplattet und mit einer Kommandobrücke versehen. Mit 200 Metern Länge, einer Mittschiffsbreite von 34 Metern und einer Höhe von über 40 Metern hat es die Dimensionen eines großen sogenannten Roll-on-roll-off-Schiffs, in das Autos, Lastwagen und ganze Züge mit ihrer Ladung selbstständig ein und aus fahren. Ein solcher Rumpf eignet sich aber eigentlich für alle Schiffstypen, egal ob Fahrzeugtransporter, Container- oder Kreuzfahrtschiff.

Mit der eigenartigen Form des Rumpfes lässt sich das aerodynamische Prinzip von Flugzeugflügeln und Segeljachten nutzen: die Zugkraft des sogenannten "scheinbaren Windes".

Der scheinbare Wind ist die Vektorsumme aus wahrem, meteorologischem Wind und Fahrtwind – und damit die Luftbewegung, die man an Bord eines Schiffes spürt. Drückt der Wind beispielsweise genau von hinten ins Segel einer Jacht, schiebt er das Boot. Dann setzt aber die Segelfläche dem Fahrtwind einen Widerstand entgegen, der scheinbare Wind nimmt ab – entsprechend langsam ist ein Segler unterwegs.

Fällt der Wind dagegen schräg von vorn, baucht sich das Tuch, und die Luft muss auf der windabgewandten Seite einen längeren Weg zurücklegen. Sie strömt also schneller. Dadurch entsteht ein Unterdruck, der als Sog die Jacht nach vorn zieht. Der scheinbare Wind ist stärker. Dieses Prinzip nutzt auch der Rumpf von Lades Windschiff, wenn es schräg gegen den Wind steuert. Im Windtunnel der britischen Universität Cranfield erreichte die Modellversion im Frühjahr 2013 immerhin 14 Knoten. Das sind 26 Kilometer pro Stunde – ausschließlich angetrieben von einer ozeanüblichen steifen Brise. Eine enorme Geschwindigkeit für ein Segelschiff.

Inzwischen hat Lade die Rumpfform weiter verbessert und ist jetzt überzeugt, dass das Schiff auch gut 17 bis 18 windgetriebene Knoten erreichen kann, mehr als 31 Kilometer pro Stunde. Damit ist es fast so schnell wie motor-getriebene Frachter in Marschfahrt.

Ohne Maschine allerdings kommt das Windschiff dennoch nicht aus. Die ist nötig, damit es die Reisegeschwindigkeit erreicht und einen genügend starken scheinbaren Wind erzeugen kann. Einmal in Fahrt, ist Maschinenschub nur nötig, um auch bei leichter Brise oder Rückenwind ein konstantes Tempo zu halten. Im Schnitt kommt der Wind auf den Weltmeeren die Hälfte der Zeit aus einem Winkel von 17 bis 80 Grad, optimal für das Windschiff, egal welche Route der Kapitän einschlägt.

Auf diese Weise kann der gewaltige aerodynamische Rumpfsegler 60 Prozent Treibstoff und bei Gasantrieb 80 Prozent der Abgase einsparen. Die zahlreichen Versuche mit Hightech-Segelanlagen oder hoch aufsteigenden Zugdrachen schaffen es gerade einmal, den Treibstoffverbrauch um fünf bis allenfalls 30 Prozent zu verringern. (bsc)