Hintergrund: Warum Google Books in den USA legal ist

Der Richter hat in dem Verfahren vier Faktoren miteinander abgewogen: den Zweck der Nutzung, die Art des Werks, die genutzten Ausschnitte im Vergleich zum Gesamtwerk und schließlich die Auswirkungen auf den potenziellen Markt oder Wert des Werks.

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Am Donnerstag hat US-Richter Denny Chin nach acht Jahren Verfahrensdauer seine juristische Sicht der Dinge veröffentlicht. In dem Verfahren ging es nicht um den Sachverhalt, denn der war zwischen den Parteien unumstritten. Damit erübrigte sich auch ein noch aufwändigeres Verfahren mit Geschworenen. Offen war die juristische Frage, ob Googles Dienst unter Fair Use (etwa "faire Nutzung") fällt, oder illegal ist.

Chin hält zunächst fest, dass das massenhafte Einscannen fremder Werke zweifelsohne auf den ersten Blick gegen Copyright verstoße. Gleiches gelte dafür, die Scans im Internet bereitzustellen. Google hatte das auch gar nicht bestritten, sondern sich im Prozess auf die Doktrin des Fair Use berufen. Und dieses zentrale Argument hat das Gericht nun anerkannt.

Ziel des US-Copyright ist es, "den Fortschritt von Wissenschaft und nützlicher Kunst zu fördern". Wenn es hilft, dieses Ziel zu erreichen, können fremde Werke auch genutzt werden, wenn die Rechteinhaber nicht zustimmen. Diese Doktrin ist als Fair Use bekannt. Wann genau Fair Use vorliegt, ist im Gesetz aber nicht abschließend geregelt. Das wäre auch sehr schwierig.

Im Streitfall müssen vier Faktoren geprüft werden: Es kommt auf den Zweck der Nutzung an – kommerziell, nichtkommerziell oder für Bildung – sowie auf die Art des Werks, die genutzten Ausschnitte im Vergleich zum Gesamtwerk und schließlich die Auswirkungen auf den potenziellen Markt oder Wert des Werks. Die vier Prüfungsergebnisse müssen dann gegeneinander abgewogen werden. Dies hat Richter Chin in seiner Begründung gemacht.

Gemeinsam mit dem Zweck der Nutzung ist auch zu prüfen, ob die fremden Werke einfach 1:1 übernommen werden, was gegen Fair Use spräche, oder aber in verändernder Weise genutzt werden. Nach Ansicht Chins ist Google Books "in höchster Weise verändernd". Die Indizierung der Texte helfe, bisher nicht bekannte Bücher zu finden. Das Anzeigen kurzer Schnipsel sei dem als rechtmäßig anerkannten Zeigen von Thumbnails fremder Bilder vergleichbar. Auch die Digitalisierung gedruckter Zeichen sei verändernd und eröffne ganz neue Forschungsansätze.

Zwar sei Googles Absicht, einen Gewinn zu erzielen, ein Argument gegen Fair Use. Aber eine direkte kommerzielle Verwertung finde nicht statt. Google verkauft weder die Scans noch die darin erkannten Texte, und zeigt im Umfeld der gezeigten Textschnipsel auch keine Werbung an. Daher ging Chins Prüfung des ersten Faktors deutlich zugunsten Googles aus.

Beide Streitparteien waren sich darin einig, dass die Art der Werke im vorliegenden Fall keinen wesentlichen Einfluss hat. Chin hat sich daher zu diesem Punkt auf kurze Feststellungen beschränkt.

Die gescannten Bücher seien alle einmal veröffentlicht worden und der Öffentlichkeit zugänglich. Außerdem handle es sich bei der überwiegenden Mehrheit der Werke um Sachbücher – und nicht um Belletristik, die stärker zu schützen wäre. Im Ergebnis falle der Test zugunsten Fair Use aus.

Google scannt jeweils das gesamte Buch. Allerdings gebe es auch Präzedenzfälle, nach denen Fair Use auch gegeben sein kann, wenn gesamte Werke genutzt werden. Wichtig war Chin, dass Google die gescannten Texte nur ausschnittsweise anzeigt. "In der Abwägung erkenne ich, dass der dritte Faktor leicht gegen Fair Use spricht", schrieb Chin.

Die Kläger hatten argumentiert, Google Books wirke sich negativ auf ihr Geschäft aus. Dem kann der Jurist nichts abgewinnen. Kaum jemand werde unzählige Suchanfragen eingeben, um ein ganzes Buch aus Textschnipseln zusammenzustellen. Ohne komplette Vorlage sei das auch unmöglich, zudem sperre Google immer bestimmte Textpassagen.

Vielmehr helfe Google Books dabei, bisher unbekannte Bücher zu finden, was deren Absatz fördere. Also spreche der vierte Faktor deutlich zugunsten Fair Use.

In der Zusammenfassung stimmt Chin eine Lobeshymne an. Er spricht von "erheblichen Vorteilen für die Öffentlichkeit" und einem "unbezahlbaren Werkzeug für die Forschung". Google Books fördere "den Fortschritt von Wissenschaft und Kunst, während es respektvoll die Rechte der Autoren und anderen kreativen Personen beachtet, ohne sich negativ auf die Rechte der Copyrightinhaber auszuwirken."

Die Büchersuchmaschine "rettet vergessene Werke und haucht ihnen neues Leben ein", und sie "ermöglicht Zugang für Menschen mit Behinderungen und jenen in unzugänglichen oder unterversorgten Regionen." Google Books "bringt neues Publikum und neue Einnahmen", schreibt der Richter, "Fürwahr, die gesamte Gesellschaft profitiert."

Siehe dazu:

(anw)