Herr Madsen will ins All

Enthusiasten und Technologie-Milliardäre läuten eine neue Ära der bemannten Raumfahrt ein. Kommendes Jahr sollen die ersten Privatreisen in den Orbit starten. Aber niemand verfolgt den Traum vom Weltraum so radikal wie die beiden Kopenhagener Kristian von Bengtson und Peter Madsen.

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Von
  • Christoph Seidler

Enthusiasten und Technologie-Milliardäre läuten eine neue Ära der bemannten Raumfahrt ein. Kommendes Jahr sollen die ersten Privatreisen in den Orbit starten. Aber niemand verfolgt den Traum vom Weltraum so radikal wie die beiden Kopenhagener Kristian von Bengtson und Peter Madsen.

Wer das Hauptquartier der Raketenbauer besuchen will, muss nach Refshaleøen, einer Insel im Hafen der dänischen Hauptstadt Kopenhagen. Hier residierte einst die stolze Schiffswerft Burmeister & Wain, bis sie 1996 wegen Geldmangel den Betrieb einstellen musste. Inzwischen sind weite Teile des Areals zu einer postapokalyptischen Ödnis verkommen, beherrscht von einer riesigen Halle. Der Quader erinnert in Farbe und Ausmaßen an das Vehicle Assembly Building der NASA im Kennedy Space Center, wo einst die Saturn-V-Raketen entstanden und später die Space Shuttles ihre Tanks und Feststoffraketen erhielten. Kommendes Jahr soll dort vor 10000 Gästen der Eurovision Song Contest über die Bühne gehen – und in einem unscheinbaren Hangar direkt daneben die weiteren Vorbereitungen für einen bemannten Raketenflug bis 100 Kilometer über die Erde. Hier haben die Copenhagen Suborbitals ihr Zuhause. Passender als mit diesen beiden Gebäuden lässt sich der Gegensatz zwischen der Raumfahrtbehörde und den dänischen Amateuren kaum auf den Punkt bringen.

Die Raketenbastler spielen trotzdem ganz offen mit NASA-Assoziationen, nennen sie ihren Bau doch selbstbewusst das Horizontal Assembly Building. Aufrecht stehen könnten die Raketen in der fünf Meter hohen Halle ohnehin nicht. Drinnen sieht es einigermaßen chaotisch aus: Werkzeugwände, Schweißgeräte und eine mächtige Drehbank stehen herum, dazu halb fertige Metallelemente für Rakete und Raumkapsel. An Ketten hängt ein Crashtest-Dummy namens Rescue Randy von der Decke, der auf einem Probeflug schon einmal in der Kapsel Platz nehmen durfte. Vor der Tür liegen haufenweise Stahlplatten und Eisenträger. Außerdem gibt es eine verbeulte orange-weiße Raumkapsel und sogar ein aufgebocktes U-Boot.

„Man verbindet Raumfahrt für gewöhnlich mit Wissenschaftlern in weißen Kitteln“, sagt Kristian von Bengtson. Er ist einer der beiden Chefs von Copenhagen Suborbitals. „Doch in 95 Prozent der Zeit braucht man hier Leute, die mit Schweißgerät und Winkelschleifer umgehen können.“ Hinter dem Projekt stehen aktuell gut 40 Enthusiasten, die dafür meist ihre Freizeit opfern. Doch entscheidend sind zwei Männer, die schon optisch klarmachen, dass sie hier ähnlich hart körperlich arbeiten wie einst die Schiffbauer: Von Bengtson – ausgebildeter Architekt mit einem Abschluss der International Space University in Straßburg und NASA-Erfahrung – trägt Arbeitskluft mit Basecap und einem gestreiften Kapuzenpullover. Sein Partner, der Ingenieur Peter Madsen, läuft in Schweißerkombi durch die Raketenmanufaktur.

Bis zum Frühjahr 2008 hat Madsen hier zusammen mit anderen Technikfans insgesamt drei U-Boote selbst gebaut. Daher auch das Exemplar draußen vor dem Hangar, die 18 Meter lange und 40 Tonnen schwere „UC3 Nautilus“. Sie entstand zum Spottpreis von etwa 200000 Euro – und tauchte bis zu 100 Meter tief. Als das geschafft war, haben sich Madsen und von Bengtson für das Raumfahrtprojekt zusammengetan, das nun mit ähnlich wenig Geld auskommen muss.

Zwei Jahre bastelten sie, dann sollte am 5. September 2010 die erste Rakete fliegen. Doch die hob wegen eines technischen Problems nicht ab. Ein Jahr später war es dann aber so weit: Die Testrakete HEAT 1X wurde mit Billigung des dänischen Militärs von einem Übungsgelände in der Ostsee aus gestartet. Dieses liegt außerhalb der dänischen Küstengewässer und bietet damit ideale juristische Voraussetzungen auch für alle weiteren Flüge. Zwar hat Dänemark den UNO-Weltraumvertrag unterschrieben und haftet damit für Schäden, die seine Bürger an Raumfahrzeugen anderer Staaten anrichten. Das Land hat aber bisher kein Gesetz, das private Raumflugaktivitäten regelt.

(wst)