Cebit

Medizin 2.0 im Mitmach-Web

Die CeBIT-Veranstaltungsreihe Webciety widmet sich am Beispiel eines Ärztebewertungportals und eines Konferenzsystems der Frage, wie das schöne neue Web 2.0 die medizinische Versorgung in Deutschland verbessern könnte.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Detlef Borchers
  • Dusan Zivadinovic

Ob Twitterdings, ob Weinverköstigung online oder Pecha Kucha-Mundspülung, das wilde Webistan hat viele Facetten. Eine Facette der CeBIT-Veranstaltungsreihe Webciety war eine Co-Produktion mit der re:publica, die das Freitagsprogramm bestritt und sich eher gesllschaftspolitischen Fragen widmete. Etwa der, ob all die schönen Dinge des Web 2.0 nicht dazu genutzt werden können, die medizinische Versorgung in Deutschland zu verbessern.

Zur Diskussion stellten sich Ingo Horack von Docinsider und Kai von Harbou vom stilecht benannten Doctr. Docinsider ist ein Ärztebewertungportal im Stil des Lehrerbertungsportals Spickmich mit dem Unterschied, dass Ärzte bundesweit bewertet werden können. Es setzt damit auf das Patienten-Empowerment. Doctr ist ein Konferenzsystem, dass dort zum Einsatz kommen soll, wo Arzt und Patient kurz über Routinedaten sprechen. Zum Beispiel könnte ein Diabetespatient kurz mit dem Arzt über den Verlauf seiner Blutzuckerwerte sprechen, die er dem Arzt geschickt hat und so den nutzlosen Aufenthalt im Wartezimmer vermeiden. Nicht bei der Diskussion erörtert wurde freilich die dritte Möglichkeit der Arzt-zu-Arzt Kommunikikation, etwa der Versand von elektronischen Arztbriefen oder das Konferieren, wie es die Asklepios-Gruppe mit "OneIT+" praktiziert.

Sowohl Docinsider wie Doctr sind Firmen, die noch einen langen Weg vor sich haben, eher sich der Erfolg einstellen kann. Beide Vertreter berichteten zunächst von Schwierigkeiten. Docinsider geriet bereits ins Visier der Datenschützer (PDF-Datei), die verlangten, dass Ärzte von einer Erstbewertung unterrichtet werden. Außerdem streitet man sich mit einem Mitbewerber um die Zulässigkeit des Bewertungssystems. Doctr hat das Problem, dass die Krankenkassen die Online-Kommunikation nur als einfache Beratungsleistung abrechnen, die nur einmal pro Quartal gezahlt wird. Ärzte, die das für Patienten kostenlose Konferieren im Abonnement bezahlen, bleiben so auf ihren Kosten sitzen.

Beide Vertreter versicherten, dass der Datenschutz peinlich genau beachtet werde und man führende Experten beschäftige. Doctr-Geschäftsführer Kai von Harbou, der selber als Arzt arbeit, bezweifelte rundweg, ob Patienten wirklich die Leistung eines Arztes beurteilen kann. Das sei vielmehr Sache des Hausarztes, der mit echter Beratungstiefe den Facharzt vorschlägt. Ingo Horak konterte, dass Patienten sehr wohl die Praxisorganisation bewerten können und ein Arzt, der seine Praxis nicht im Griff hat, auch fachliche Probleme haben kann. Nach seinen Angaben werden die Bewertungen von Docinsider mit der Meinung überprüft, die Ärzte (oder ihr Personal) voneinander haben. In jedem Fall sei es eine Verbesserung der Lebensqualität, wenn man einem Docinsider und damit dem Web 2.0 vertrauen kann, statt einen Arzt nach der Empfehlung eines Bekannten aufzusuchen. Für Doctr bedauerte von Harbou, dass die Dauerdiskussion um die elektronische Gesundheitskarte dazu geführt habe, dass eHealth in Deutschland einen schlechten Ruf habe. Zuversichtlich stimme jedoch, dass Patienten das Konferenzsystem annehmen, wenn sie einmal per Videostream beim Arzt waren.

Im Unterschied zu anderen Veranstaltungen der Webciety war die Diskussion nur mäßig besucht, auch gab es keine Anwender der Webangebote, die das geforderte Feedback produzierten. Das größtenteils junge Publikum hatte naturbedingt noch wenig Interesse an Ärztedingens. (Detlef Borchers) / (dz)