EU-Kommission: Einigung beim Telecom-Paket rückt in weite Ferne
Medienkommissarin Viviane Reding hat die gemeinsamen Verhandlungen mit dem EU-Parlament und dem Ministerrat über die Neuregulierung des Telekommunikationsmarkts für gescheitert erklärt.
In Brüssel sind die Aussichten auf eine rasche Einigung über die Neuregulierung des Telekommunikationsmarkts enorm gesunken. So haben Vertreter der EU-Kommission und aus dem EU-Rat laut Medienberichten die gemeinsamen Gespräche über das Telecom-Paket mit dem EU-Parlament für gescheitert erklärt. Die jüngste Runde im sogenannten Trilog-Verfahren Mitte vergangener Woche sei von der tschechischen Ratspräsidentschaft regelrecht "sabotiert" worden, beschwerten sich Diplomaten aus den Mitgliedsstaaten über die Verhandlungsführung des neuen Beitrittslandes.
Auch die federführende EU-Kommissarin, die für Medien und Informationsgesellschaft zuständige Luxemburgerin Viviane Reding, beklagte, dass die entscheidende Runde wegen der "katastrophalen" Taktik der Tschechen keine gemeinsame Linie ergeben habe. Im Gegensatz zu den Berichterstattern der Abgeordneten wären einige Mitgliedsstaaten nicht bereit gewesen, einen echten Binnenmarkt für die europäischen TK-Unternehmen zu schaffen.
Im Laufe der Woche steht noch eine weitere Sitzung mit Abgesandten von Parlament, Rat und Kommission an, aufgrund fehlender diplomatischer Vorbereitungen schloss ein Sprecher Redings eine Verständigung dabei aber fast komplett aus. Das Parlament könnte so vor den Europawahlen im Juni zwar noch seine Linie in 2. Lesung bekräftigen. Eine Zustimmung der anderen Brüsseler Gremien halten Beobachter aber nicht mehr für möglich. So müssten die Debatten im Herbst unter eventuell anderen Mehrheitsverhältnissen im Parlament ganz von vorne beginnen.
Vor allem der Rat stemmte sich zuletzt gegen die von der Kommission angestrebte Superaufsichtsbehörde mit weitgehenden Veto-Rechten. Ein niederländischer Kompromissvorschlag zur Besetzung und Kompetenzaufteilung der Einrichtung fand nun bei den Mitgliedsstaaten knapp keine Mehrheit. Weitgehend ausgeklammert hatten die Verhandlungsführer bislang zudem die ebenfalls umkämpfte Frage über die Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen im Internet. Hier geht es Frankreich um Vorschriften für ein Verfahren zur "abgestuften Erwiderung" auf Copyright-Verletzungen bis hin zum Kappen von Netzverbindungen bei Wiederholungstätern. Einen solchen "3-Strikes"-Ansatz wollen Kommission und Parlament nicht mittragen.
Weitgehend einig waren sich alle drei Seiten bislang, die Marktkräfte bei der Neuvergabe von Funkfrequenzen stärker zum Zuge kommen zu lassen. Im Mittelpunkt steht hier die Aufteilung der "digitalen Dividende", also von Spektrumsbereichen, die mit dem Umstieg aufs Digitalfernsehen frei werden. Die Verhandlungsführer hatten sich bei ersten Trilog-Gesprächen verständigt, die Vorgabe des Parlaments aus der 1. Lesung des Pakets zur prinzipiellen Fassung von Frequenzen als öffentliches Gut nur noch in einem nicht einklagbaren Erwägungsgrund auftauchen zu lassen. Dies hatte bei oppositionellen Abgeordneten zu Protesten geführt.
Siehe dazu auch:
- EU-Parlamentsberichterstatter stecken Linie für Telecom-Paket ab
- Neuvergabe der Funkfrequenzen im EU-Telecom-Paket umkämpft
(Stefan Krempl) / (anw)