NSA-Skandal: Freund hört mit - Spionageabwehr künftig in alle Richtungen

Der Verfassungsschutz hat den Amerikanern in der Vergangenheit allzu sehr vertraut. Das soll sich nun ändern, die Abwehr besser werden. Doch das kostet Geld. Und schon jetzt ist klar: Dem Vorhaben sind Grenzen gesetzt.

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Von
  • Christiane Jacke
  • dpa
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Im Sommer war die Geheimdienstwelt noch in Ordnung. Oder zumindest schien es so. Der Chef des US-Nachrichtendienstes NSA, Keith Alexander, war im Juni zu Besuch in Berlin und saß mit Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen zum Frühstück zusammen. Da bekamen die Herren eine Mitteilung hereingereicht: Es ging um Edward Snowden – den Ex-Geheimdienstmitarbeiter, der massenhaft vertrauliche NSA-Dokumente kopiert und sich dann abgesetzt hatte. Alexander winkte damals ab. Ach, das sei "nur ein kleiner Verräter aus Hawaii", sagte er. So ist es überliefert. Die obersten Geheimen frühstückten erst mal zu Ende. Inzwischen hat sich die Lage aber etwas verändert.

NSA-Skandal

Die NSA, der britische GCHQ und andere westliche Geheimdienste greifen in großem Umfang internationale Kommunikation ab, spionieren Unternehmen sowie staatliche Stellen aus und verpflichten Dienstleister im Geheimen zur Kooperation. Einzelheiten dazu hat Edward Snowden enthüllt.

Snowden hat die USA, ihrem monströsen US-Geheimdienstapparat sowie seine Abhör- und Überwachungspraktiken mit seinen Leaks ins Licht der Öffentlichkeit gerückt – und auch die Nachrichtendienste in Deutschland. Seitdem bekannt ist, dass NSA-Leute ungebremst auch die Deutschen ausspionieren, selbst Kanzlerin Angela Merkel (CDU), denken die Verfassungsschützer hierzulande angestrengt darüber nach, wie sie die eigene Spionageabwehr aufrüsten können.

In der Vergangenheit hat sich das Bundesamt für Verfassungsschutz komplett auf jene konzentriert, von denen es Schnüffeleien erwartete: Russen oder Chinesen etwa. Was die Nachrichtendienste in Partnerstaaten wie den USA oder Großbritannien treiben, haben sich die hiesigen Geheimdienstler nicht systematisch angeschaut. Ein bisschen viel Vertrauen, wie sich herausstellte. Nach dem Ermittlungsdesaster rund um die rechtsextreme Terrorzelle NSU stehen die Verfassungsschützer nach außen hin mal wieder als jene da, die ahnungslos sind oder schlicht überfordert.

Das Amt bemüht sich nun einmal mehr darum, das ramponierte Image aufzupolieren. Die Spionageabwehr soll besser werden. Die Verfassungsschützer wollen künftig in alle Richtungen schauen, also nicht nur die eigenen Gegner im Auge behalten, sondern auch die Freunde. Wie viele der rund 2700 Mitarbeiter sich bislang um die Spionageabwehr kümmern, verrät die Behörde nicht. Nur so viel: Es sollen mehr werden, die Behörde will neue Spezialisten anwerben. "Das ist nicht zum Nulltarif zu machen", heißt es in Sicherheitskreisen. Die künftige Regierung soll also mehr Geld als bislang rausrücken.

Es ist allerdings auch großes Seufzen zu hören, wenn es um die Abwehr von Spionage geht. "Die ist in vielen Fällen überhaupt nicht konkret feststellbar", heißt es. Es gebe technische Grenzen, finanzielle, rechtliche. "Ein vollständige Aufklärung der Spionageaktivitäten anderer Staaten ist nicht möglich. Wir werden mit einem großen Dunkelfeld leben müssen. Wir können eine Menge tun, aber es bleiben Lücken."

In den vergangenen Wochen gab es viel Stirnrunzeln über das Dach der US-Botschaft am Pariser Platz in Berlin. Dort wird eine Abhöranlage vermutet, ein Horchposten mitten im Regierungsviertel. Der Verfassungsschutz fragte bei der US-Vertretung freundlich nach, ob sich Mitarbeiter das Gelände mal anschauen könnten – um alle Vorwürfe auszuräumen. Die Amerikaner reagierten nicht. Und ohne ihre Erlaubnis ist das Botschaftsgelände für deutsche Behörden tabu.

Der Verfassungsschutz hilft sich damit, ab und an Hubschrauber über den Auslandsvertretungen aufsteigen zu lassen. Die Luftbilder zeigen auch auf den Dächern der britischen und der russischen Botschaft eigenwillige Konstrukte. Dass sich darunter Abhöranlagen verbergen, sind nur Vermutungen der Sicherheitsbehörden – wenn auch weit gediehene. Beweise haben sie bislang nicht. Unverschlüsseltes Telefonieren in der Nähe des Brandenburger Tores sei aber nicht zu empfehlen, heißt es in Sicherheitskreisen. Da könnten im Zweifel auch mal fünf, sechs Leute mithören. "Darüber muss man sich im Klaren sein."

Deutsche Geheimdienstler und Regierungsvertreter verhandeln derzeit mit den USA über ein Anti-Spionage-Abkommen – also eine Vereinbarung, die der gegenseitigen Überwachung Grenzen setzt.

Mancher Verfassungsschützer hofft sehr auf das Abkommen – und darauf, dass sich das Problem damit von selbst erledigt, weil die Amerikaner nicht mehr gegen Deutschland spionieren. Der Wert einer solchen Vereinbarung ist aber sehr umstritten. Fraglich ist, wie weit die Zusagen gehen werden und ob sich die Amerikaner daran halten. (jk)