Schwarz-Rot streitet über Vorratsdatenspeicherung und Datenschutz

Innenpolitiker der geplanten großen Koalition sind unterschiedlicher Meinung, wann die Aufzeichnung elektronischer Nutzerspuren neu aufgelegt und ein neuer Bundesdatenschützer bestellt werden soll.

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Wenige Tage nach der Einigung auf einen gemeinsamen Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD liegen Innenpolitiker von Schwarz-Rot in einzelnen Fragen zur inneren Sicherheit und zum Datenschutz über Kreuz. So haben sich Sozialdemokraten etwa gegen eine rasche Neuauflage der Vorratsdatenspeicherung ausgesprochen, obwohl das Instrument auch ihrer Ansicht nach Strafverfolgern prinzipiell wieder zur Verfügung stehen soll.

Der Innenexperte der SPD-Bundestagsfraktion, Michael Hartmann, vertritt bei der Vorratsdatenspeicherung den Grundsatz: "Gründlichkeit vor Schnelligkeit." Im Bund dürfe keine vorschnelle Entscheidung fallen, sagte der Abgeordnete dem Tagesspiegel. Vielmehr sei erst "der Prozess in Europa" mit der anstehenden Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs abzuwarten und auf eine Reform der einschlägigen EU-Richtlinie hinzuwirken, "die wir guten Gewissens umsetzen können".

Das Thema an sich sei "durch die Debatte um die NSA heikler geworden", räumte Hartmann ein. Aber die Polizei brauche die Vorratsdaten. In den Koalitionsverhandlungen seien zudem bereits "einige Sicherungen" eingebaut worden, "die vor Missbrauch schützen sollen".

Der CDU-Rechtspolitiker Günter Krings drängt dagegen weiter darauf, die EU-Vorgaben möglichst bald umzusetzen. Der Taxameter laufe "und mit jedem weiteren Monat, den wir warten, kann es sehr teuer werden". Erst anschließend solle Berlin in Brüssel auf kürzere Speicherfristen hinwirken. Netzpolitiker beider Fraktionen lehnen die Vorratsdatenspeicherung ab.

Konträr sind die schwarz-roten Ansichten auch in der Frage, wann ein neuer Bundesdatenschutzbeauftragter sein Amt antreten soll. Die Zeit von Peter Schaar endet nach zehn Jahren regulär Mitte Dezember. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) signalisierte dem Grünen bereits im Frühherbst, dass seine Dienste für eine Übergangsfrist bis zur Wahl eines neuen Bundesdatenschützers nicht gewünscht seien.

Diese Linie trägt der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach mit. "Angesichts des Umstandes, dass der Datenschutz nicht nur wegen der NSA-Spähaffäre, sondern auch wegen der Debatten über die europäische Datenschutzgrundverordnung in den letzten Monaten eine neue Bedeutung bekommen hat, gehen wir davon aus, dass wir das Amt unmittelbar nach der Regierungsbildung wieder besetzen werden", erklärte er der Berliner Zeitung. Es gehe um eine der "wichtigsten Personalentscheidungen im neuen Jahr", für die er jemand favorisiere, der "parteipolitisch nicht gebunden ist". Schaar habe sich teils "sehr einseitig" etwa gegen die Vorratsdatenspeicherung ausgesprochen, obwohl diese "mit Überwachungsstaat überhaupt nichts zu tun" habe.

Der Sozialdemokrat Hartmann hat Friedrich dagegen aufgefordert, Schaar so lange im Amt zu halten, bis ein Nachfolger bestimmt ist. Der Veteran habe seine Arbeit kritisch und gut gemacht. Auch die Informationsfreiheitsbeauftragten der Länder, die parallel jeweils für den Datenschutz zuständig sind, zeigten sich auf ihrer jüngsten Konferenz (PDF-Datei) Ende vergangener Woche in Erfurt "besorgt" darüber, dass der Innenminister wohl beabsichtige, Schaar zu verabschieden, ohne dass ein neuer Amtsinhaber gewählt worden sei. (anw)