IT-Verband warnt vor "Schnellschüssen" bei Kinderporno-Sperren

Der Bitkom hat sich grundsätzlich bereit erklärt, "auf rechtlich sicherer Grundlage technische Mechanismen zur Erschwerung des Zugangs" zu kinderpornographischen Inhalten einzusetzen, hat zugleich aber schwere Bedenken.

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Der Bitkom hat sich grundsätzlich bereit erklärt, "auf rechtlich sicherer Grundlage" mit einer eigengesetzlichen Grundlage "technische Mechanismen zur Erschwerung des Zugangs" zu kinderpornographischen Inhalten einzusetzen. Zugleich hat der IT-Branchenverband aber schwere Bedenken gegen entsprechende, von Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) und dem Bundeskriminalamt (BKA) geforderten Websperren und warnt vor "politischen Schnellschüssen". Dies geht aus einer Stellungnahme des Bitkom für eine Anhörung im Unterausschuss Neue Medien des Bundestags rund um Blockaden von Kinderpornographie im Internet am kommenden Donnerstag hervor, die heise online vorliegt.

Wichtig ist für die Lobbyvereinigung vor allem, dass der Kampf gegen die Verbreitung schwerstkrimineller Inhalte "auf sämtlichen Ebenen" zu führen ist. Das Kernziel jeglicher Aktivitäten müssten die Ermittlung der Täter und die Stärkung des Opferschutzes sein. Daneben gehe es um die Austrocknung des kommerziellen Marktes für kinderpornographische Inhalte. Zugangserschwernisse können in diesem Gesamtpaket stets nur "ein flankierendes Mittel" sein, da ihre Wirkung auf den kommerziellen Markt gering sei. Der Bitkom warnt daher "mit Nachdruck davor, die Bekämpfung der Kinderpornographie zu einem Wahlkampfthema zu stilisieren". Andererseits hält er die im Raum stehenden Websperren aber auch für ein "insgesamt richtiges gesellschaftliches Signal".

Effizient verhindern lässt sich der Zugang zu Kinderpornographie im Netz durch die von der Leyen vorschwebenden Maßnahmen laut dem Bitkom nicht: Sämtliche denkbaren Sperrmechanismen seien für einen gezielt vorgehenden und mit Fachwissen ausgestatteten Nutzer umgehbar. Insbesondere beim Einsatz von Anonymisierungsdiensten, die sowohl frei als auch als kommerzielle Dienstleistung angeboten werden, würden sämtliche Methoden an ihre Grenzen geraten.

Bei wenig komplexen Blockadevorgaben wie einer Modifikation des Domain Name System (DNS), wie sie der Familienministerin vorschwebt, hätten versierte Nutzer ein besonders leichtes Spiel. So könnten sie etwa einen freien DNS-Server wie opendns.org verwenden. Daraus folge, dass entsprechende Mechanismen allenfalls zufällige Aufrufe und Abrufe durch "Gelegenheitskonsumenten" erschweren könnten. Dies hätten auch Erfahrungen mit dem Filtersystem "Cleanfeed" in Großbritannien gezeigt. "Hochkomplexe hybride Verfahren" würden dagegen "erhebliche Aufwände und grundlegende technische Strukturveränderungen" nach sich ziehen, ohne jedoch "ein wesentlich höheres Maß an Umgehungssicherheit zu bieten".

Großen Wert legt der Verband ferner darauf, dass die Debatte in den politischen und rechtlichen Gesamtkontext eingebettet wird. Es sei klar erkennbar, dass von verschiedenen Seiten erhebliche Begehrlichkeiten bestünden, das Instrument der Zugangserschwerung auf weitere Inhalte auszudehnen. Entsprechende Forderungen gebe es für extremistische, insbesondere rechtsradikale Seiten, für einfache Pornographie, urheberrechtlich relevante Inhalte sowie ausländische Glücksspielangebote. In den häufig als Beispiel für Websperren gegen Kinderpornographie genannten skandinavischen Ländern gebe es dagegen klare politische Signale, dass eine Ausweitung der Blockaden auf andere Sachlagen aufgrund der damit verbundenen tief greifenden rechtlichen Bedenken und technischen Einschnitte nicht in Betracht kämen.

Der Bitkom unterstreicht daher mit Nachdruck die Ergebnisse zweier wissenschaftlicher Studien, wonach eine Zugangserschwerung auf Zugangsebene allenfalls ein "Ultima ratio"-Instrument für schwerstkriminelle und international geächtete Inhalte wie Kinderpornografie sein könnte. Mit großer Sorge betrachte man dagegen die schon im Vorfeld geführte Diskussion weiterer Ansprüche. Konsequent zu Ende gedacht würden diese die Internetprovider in die Rolle allgemeiner Überwacher von Inhalten drängen. Eine solche wäre aber konträr zur neutralen Natur der erbrachten Zugangsvermittlung und zu grundlegenden rechtlichen Wertungen, wie sie etwa in der E-Commerce-Richtlinie der EU oder im darauf basierenden Telemediengesetz (TMG) ihren Ausdruck fänden.

Siehe dazu auch:

(Stefan Krempl) (jk)