Elektromantik

Klartext

Die romantische Kraftfahrtheorie stellt den Fahrer zentral in ein Glaubenssystem, in dem er möglichst innig mit der Maschine zu verbinden sei. Der Satan dort ist die Elektronik. Das E-Gas der neuen Super Duke kann besser Gas geben als ich. Das geht doch nicht!

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Von
  • Clemens Gleich
Inhaltsverzeichnis

Als Motorradfahrer ist man besonders anfällig für die alte Kraftfahrerromantik: Der Mann, und es ist bitte ein Mann, der muss in möglichst inniger, direkter Verbindung zu seiner Maschine stehen, und diese Maschine, die muss möglichst rein, hart, grob und so einfach sein, dass der Mann am Steuer sie bis in die letzten Windungen versteht. Nur das ist Echtes Fahren (tm)! Die Elektronik, die hat uns der Teufel gebracht, jeder Absatz ECU-Code ist ein satanischer Vers voll ketzerischer Verkehrtheit. Des Verführers unheilige Saat geht heute auf, denn nur wegen Elektronik kauft die Jugend Smartphones statt Autos, nur wegen Elektronik hat das höllische Transistorradio ins Auto Einzug gehalten, wo es die verbliebene Restjugend mit der Musik Satans oder schlimmer: Justin Biebers dem ewigen Verderben anheimgibt. So die traditionelle Theorie.

Bisher stand ich der Romantischen Theorie des Kraftfahrens immer entgegen, denn sie lädt so deutlich zum Widerspruch ein: Die Elektronik hat uns nicht zuerst den Verfall der Fahrsitten gebracht, sondern noch davor ein Niveau der Zuverlässigkeit, das vorher nicht denkbar war. Mechanische Zündwinkelverstellung mit mechanisch schleifendem Zündverteiler, das musste regelmäßig eingestellt werden und ging trotzdem genauso regelmäßig kaputt. Es ist richtig, was die Altvorderen sagen: Man konnte den Rotz tatsächlich am Straßenrand mit einem Hammer und einem Tannenzapfen reparieren. Was uns die Altvorderen jedoch gern verschweigen: Man musste das auch, regelmäßig, im Regen, bei Nacht, denn Gott Murphy herrschte schon damals. Selbst die immer komplexer werdenden Fahrhilfen erreichen normalerweise nach ein, zwei Dutzend Jahren ein Funktionsniveau, an dem selbst Traditionalisten nur noch theoretische Kritik äußern können. Mit solchen stabilen Vorurteilen fuhr ich die neue KTM 1290 Super Duke R, und auf einmal stieg der Geist der Kraftfahrromantik völlig unerwartet aus dieser Maschine.

Das unschöne Biest

Das Motorrad wurde vorab als "The Beast" beworben, als Aggro-Straßenkampfmaschine, die kaum auf zwei Rädern zu halten sei. Das war eine ziemliche Ansage, denn schon der Vorgänger 990 Super Duke war ein nervöser, aggressiver Kettenhund, den man eigentlich nur den Hardlinern der KTM-Taliban empfehlen konnte. Die genossen eine Gasannahme, die einer Rennmaschine würdig war, eine knackige Geometrie mit entsprechend leichtfüßigem Handling und einen Motor, der sich nirgends anbiedert, aber genau deswegen unter den Racern sehr tiefe Freundschaften schließt. Kaffeefahrer dagegen waren gelegentlich regelrecht schockiert von der 990. Nervös schüttelte sie ihren Kopf beim Beschleunigen, unwillig hackte sie auf ihre Kette ein in Ortschaften und ging am Ortsausgang wie ein Mörder mit der Axt ans Gas. Sowas mit 1300 ccm und 180 PS? "The Beast" indeed...