Koalitionsvertrag: Deutschland stärken Menschen müssen

Schon mal was von Transphobie, Landesbasisfallwert, Problemdruckindikator oder Thesaurierungsregelungen gehört? Nein? Dann sollten Sie den Koalitionsvertrag für die 18. Legislaturperiode zur Hand nehmen.

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Von
  • Peter-Michael Ziegler

Schon mal was von Transphobie, Landesbasisfallwert, Problemdruckindikator oder Thesaurierungsregelungen gehört? Nein? Dann sollten Sie den Koalitionsvertrag für die 18. Legislaturperiode zur Hand nehmen. "Der Vertrag ist unverständlicher als Doktorarbeiten", fasst Kommunikationswissenschaftler Prof. Frank Brettschneider von der Universität Hohenheim das 185-Seiten-Werk zusammen, das CDU, CSU und SPD Ende November verabschiedet haben.

Gemeinsam mit der Communication Lab GmbH in Ulm pflückten Brettschneiders Mitarbeiter den Koalitionsvertrag zunächst mithilfe einer Analyse-Software auseinander. Gesucht wurde unter anderem nach überlangen und komplizierten Sätzen, Fachbegriffen sowie Fremdwörtern. Anhand dieser Merkmale stuften die Wissenschaftler den Text dann über den sogenannten "Hohenheimer Verständlichkeitsindex" ein, der von 0 (völlig unverständlich) bis 20 (sehr verständlich) reicht.

"Die mangelnde Verständlichkeit des Koalitionsvertrags ist enttäuschend", kritisiert Brettschneider. Das Gesamtwerk erreiche lediglich einen Wert von 3,48 – selbst politikwissenschaftliche Doktorarbeiten lägen mit einem Durchschnittswert von 4,7 klar darüber, erklären die Hohenheimer Kommunikationsspezialisten. Noch schlimmer sieht es in diversen Unterkapiteln aus, etwa im Vertragsabschnitt 6 ("Starkes Europa"), der sich durch viel Kauderwelsch und Schachtelsätze auszeichnet – und deshalb nur auf einen Verständlichkeitswert von 1,96 kommt.

Mitunter wollen Koalitionspartner aber auch gar nicht richtig verstanden werden, erklärt Prof. Brettschneider. Insbesondere dann, wenn unklare oder unpopuläre Positionen absichtlich verschleiert werden sollen. Dann werde gerne auf abstraktes Verwaltungsdeutsch zurückgegriffen. Wir sprechen in so einem Fall von "taktischer Unverständlichkeit", sagt Brettschneider. Die am häufigsten vorkommenden Begriffe im Koalitionsvertrag sind im Übrigen "Deutschland", "stärken", "Menschen" und "müssen" – was sogar eine Satzbildung zulässt: "Menschen müssen Deutschland stärken". Und schon ist alles gesagt. (pmz)