Darmstädter Forscher entwickeln schnellen 3D-Scanner

Bei Katastrophen gehen manche Kunstschätze für immer verloren. Darmstädter Forscher haben nun eine neue Methode entwickelt, sie zumindest in 3D zu erhalten. Mit ihrem Scanner können Objekte innerhalb weniger Minuten digitalisiert werden.

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Von
  • Maren Hennemuth
  • dpa
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Um sie für die Ewigkeit zu erhalten, muss die Büste der Nofretete erst einmal ein Fließband entlang fahren. Es handelt sich allerdings nur um eine Kopie jener berühmten Skulptur, die im Ägyptischen Museum in Berlin steht. Aber sollte der Scanner aus dem Darmstädter Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung einmal in Serie produziert werden, könnten vielleicht bald echte Kunstschätze genutzt werden. Mit dem Scanner, den die Wissenschaftler um den Informatiker Pedro Santos entwickelt haben, lassen sich Kunstobjekte innerhalb weniger Minuten dreidimensional digitalisieren.

Die Idee dahinter: Wenn es von einem Werk ein Abbild in 3D gibt, bleibt es zumindest digital erhalten, wenn das Original zerstört wird. "Es gibt verschiedene Staaten auf der Erde, die jetzt schon wissen, dass sie ihr Kulturgut nicht erhalten werden können", sagt Santos. Als das Kölner Stadtarchiv einstürzte, wurden Dokumente von unschätzbarem Wert zerstört, manches konnte nur noch als Fetzen geborgen werden. Beim Brand der Herzogin-Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar richtete das Feuer 50.000 Bücher aus dem 17. und 18. Jahrhundert zugrunde.

Kunstschätze werden zerstört, andere stehen nur selten im Licht der Öffentlichkeit. "Im Schnitt verschwinden Artefakte für zehn bis fünfzehn Jahre im Archiv eines Museums", sagt Santos. Nach seinem Wunsch soll der Darmstädter Scanner mal in einem Museum stehen. Das Projekt wird vom Bundeswirtschaftsministerium gefördert. Die Herstellung des Prototyps kostete insgesamt eine halbe Million Euro. Die Forscher rechnen aber damit, dass sich die Kosten minimieren ließen, wenn der Scanner in Serienproduktion ginge.

Schon jetzt gibt es Möglichkeiten, in 3D zu scannen. Das Darmstädter Modell liefert nach Aussage der Forscher aber eine schnellere Methode zur Digitalisierung. "Momentan braucht man mehrere Stunden, wenn nicht Tage, um ein Objekt zu scannen, während man mit unserer Methode Objekte bis zu 60 mal 60 Zentimetern innerhalb weniger Minuten scannen kann", erklärt Martin Ritz, stellvertretender Leiter des Projektes.

Auf dem Fließband wird die Nofretete-Kopie gerade unter zwei Scanbögen geschoben. Der innere Bogen hält neun verschiedene Lichtquellen, während der äußere noch einmal mit genauso vielen Kameras ausgestattet ist. Mit einem kräftigen, mechanischen Surren bewegen sich die Bögen nun über der Nofretete und stoppen jeweils kurz in verschiedenen Positionen, um von allen Seiten Aufnahmen der Büste zu machen. "Wenn ich diese neun Kameras aus neun verschiedenen Positionen Aufnahmen machen lasse, habe ich am Ende insgesamt 81 Bilder. Die werden verwendet, um eine geometrische Rekonstruktion zu errechnen", erklärt Ritz.

Werden alle Kombinationen abgefahren, erhalten die Forscher eine Bildermenge, die zur Rekonstruktion der optischen Materialeigenschaften des Objekts verwendet werden kann. "Nur so kann man beispielsweise die Anmutung von Mineralien reproduzieren, die an unterschiedlichen Stellen unterhalb ihrer Oberfläche das Licht auf verschiedene Weise brechen", sagt Santos.

Betrachtet man in diesem Moment den Scan auf dem Computerbildschirm, enthält das digitale Abbild der Nofretete noch schwarze Stellen – jene Teile, die der Scanner noch nicht erreicht hat. Daher muss das Objekt auf dem Fließband noch einmal weiterlaufen. Es stoppt ganz automatisch vor einem Roboterarm mit einem zweiten Scanner. "An dieser Station werden noch vorhandene Lücken des bis dahin entstandenen 3D-Modells gefüllt", sagt Ritz. Am Ende erscheint das Abbild auf dem PC. Einmal digital vorhanden, könnte ein Kunstschatz etwa in einer Datenbank gespeichert, mit Informationen unterlegt und schließlich weltweit betrachtet werden – und zwar von allen Seiten.

Aber macht das nicht die Einzigartigkeit kaputt? Nein, sagt Pedro Santos. Und auch Hans Lochmann, Sprecher der Konferenz der Museumsberater in den Ländern, fürchtet keinen Besucherrückgang durch die Digitalisierung. "Weil das Original doch eine ganz andere Aura hat", sagt er. In der Digitalisierung liege ein Vorteil für die Wissenschaft. "Wenn sich die Menschen heutzutage informieren, benutzen sie das Netz. Und da sollte der Content der Bibliotheken, Museen und Archive auch zu finden sein."

Bis der Scanner des Fraunhofer Instituts in einem Museum stehen könnte, dürfte es noch ein wenig dauern. Nun soll er erst einmal eine Testphase durchlaufen. Dafür schicken die Forscher Studenten zu den Partnern des Projektes, der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und dem Frankfurter Liebighaus, um zunächst auf traditionelle Weise 3D-Objekte zu scannen. Dieselben Objekte sollen mit Hilfe des Prototypen digitalisiert und beide Methoden verglichen werden. (anw)