Keine Einigung auf EU-Datenschutzreform im EU-Rat

Die Justiz- und Innenminister der Mitgliedsstaaten konnten sich erneut nicht darauf verständigen, welche Behörde für grenzüberscheitende Datenschutzfragen zuständig sein soll. Das gesamte Vorhaben dürfte sich so deutlich verzögern.

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Die Justiz- und Innenminister der EU-Mitgliedsstaaten konnten sich bei ihrem Treffen am Freitag in Brüssel erneut nicht auf die Klärung verbliebener Streitfragen rund um die geplante Datenschutzreform verständigen. Zentraler Stolperstein war erneut der Punkt, welche Behörde für grenzüberscheitende Datenschutzfragen zuständig sein soll. Grundsätzlich sind sich die Regierungsvertreter einig, dass möglichst eine zentrale Anlaufstelle für Bürger bei Beschwerden rund um die Privatsphäre zu schaffen ist. In Details gehen die Ansichten aber nach wie vor weit auseinander.

Der litauische Justizminister Juozas Bertanotis hörte sich in einer nach der Sitzung verbreiteten Erklärung leicht verzweifelt an. Die angestrebte Reform sei eine Angelegenheit höchster Priorität der zum Jahresende auslaufenden Ratspräsidentschaft seines Landes gewesen, beteuerte der Politiker: "Wir haben alles in unserer Macht Stehende getan, um Fortschritt zu erzielen." Letztlich sei aber ein "starkes Abkommen" einem "schnellen" vorzuziehen. Der EU-Rat müsse daher unter der kommenden griechischen Präsidentschaft weiter daran arbeiten, "eine angemessene Balance zwischen Unternehmensinteressen und den Grundrechten der Bürger sicherzustellen".

Die Verzögerungen im Ministergremium dürften dazu führen, dass der ambitionierte Zeitplan für die gesamte Initiative nicht mehr zu halten ist. Es werde "sehr, sehr schwierig", das Projekt noch vor der Europawahl im Mai zu verabschieden, hatte Innenstaatssekretär Ole Schröder schon im Vorfeld der Tagung erklärt. Der CDU-Politiker vertrat Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU), der es zu der entscheidenden Sitzung nicht nach Brüssel schaffte. Insgesamt steht die Zukunft der Reform damit in den Sternen, da die Arbeit daran im Laufe der Neukonstituierung des Parlaments nicht nahtlos fortgesetzt werden kann.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte sich im Sommer zwar im Licht der NSA-Affäre noch dafür ausgesprochen, die neue Datenschutz-Grundverordnung rasch voranzutreiben. Berichten zufolge versucht das federführende Bundesinnenministerium aber, das Vorhaben aufzuweichen und auszubremsen. Schröder unterstrich nun, dass dadurch letztlich das gesamte deutsche, auf 300 Gesetze verteilte Datenschutzrecht durch 100 direkt geltende Artikel ersetzt werden sollte. Eine gründliche Prüfung der einzelnen Passagen sei daher unerlässlich.

EU-Justizkommissarin Viviane Reding sprach nach dem Treffen von einem "enttäuschenden Tag für den Datenschutz". Seit Wochen habe der Rat nur "Rückschritte" gemacht und sei nun offenbar "verfrüht in einen tiefen Winterschlaf gefallen". Nach außen hat die Luxemburgerin die Hoffnung noch nicht ganz aufgeben, dass die griechische Regierung Anfang 2014 das Ruder herumreißen kann. In ihrem Umfeld geht man aber nicht mehr von einem Beschluss der neuen Regeln im Frühjahr aus.

Dem Verhandlungsführer im EU-Parlament, Jan Philipp Albrecht, erscheint eine Verabschiedung des Pakets vor Mai nun ebenfalls immer unwahrscheinlicher. Der Grüne wirft dem Rat und vor allem der Bundesregierung eine Blockade des Verfahrens vor. Die Abgeordneten hatten ihre Linie im Oktober abgesteckt.

Die Auseinandersetzung im Rat hat sich daran aufgehängt, dass für ein Unternehmen primär die Aufsichtsbehörde jenes Landes zuständig sein soll, wo es seine Hauptniederlassung hat. Über Beschwerden aus einem Mitgliedsstaat etwa gegen Facebook oder Microsoft würde so weiterhin in erster Linie der irische Datenschutzbeauftragte entscheiden.

Der juristische Dienst des Rates hatte nun verschiedene alternative Ansätze ins Spiel gebracht, um eine größere Bürgernähe zu schaffen und ein zu komplexes Verfahren zu verhindern. Er schlug etwa vor, dass die eigentlich zuständige Kontrollinstanz in transnationalen Verfahren nur bestimmte Befugnisse erhält. Andere Befugnisse sollten dem noch zu gründenden Europäischen Datenschutzausschuss übertragen werden, in dem nationale Aufsichtsbehörden und der EU-Datenschutzbeauftragte mitentscheiden könnten. Dieser Ansatz überzeugte die Minister aber noch nicht. (ea)