Neue Motorräder in altem Design

Nostalgie im Trend

Zurück in die Zukunft könnte das neue Motto vieler Motorradhersteller lauten. Den Trend zum Retro-Design haben einige kreative Werkstätten, aber auch eifrige Hobby-Bastler ausgelöst. Da gibt es zeitlos schöne Modelle zu bestaunen - und sehr viele Umbauten

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Von
  • Ingo Gach
Inhaltsverzeichnis

Köln, 11. Dezember 2013 – Der deutsche Durchschnitts-Motorradfahrer ist in die Jahre gekommen und besinnt sich wieder seiner Wurzeln. Melancholisch blickt er zurück auf die Traummotorräder seiner Jugend und wünscht sie sich wieder herbei. PS-Monster mit Hightech-Elektronik umhüllt von gewaltigen Plastikverschalungen sind verpönt. Es sollen wieder ehrliche Maschinen sein, die ihren Charme durch Einfachheit entfalten. Café Racer, Scrambler oder gar Flat Tracker verdrehen Zuschauern die Köpfe. Bei diesem Trend ist wichtig, dass man den Motor sieht, er muss luftgekühlt sein und die Kühlrippen müssen glänzen. Dabei ist vom Single bis zum Vierzylinder alles erlaubt, Hauptsache, der nostalgische Look stimmt. Viel verchromtes und schwarz lackiertes Metall dominiert die Optik. Plastik, knallige Farben und digitale Instrumente sind ein no-go, kleine Lampenverkleidungen nur in Ausnahmefällen gestattet, wenn die historischen Vorbilder sie auch schon trugen.

Oldie-Look

Renommierte Tuner wie LSL in Krefeld, Jens vom Brauck in Köln, Wrenchmonkees in Dänemark, Roland Sands in Kalifornien und Deus ex machina in Sydney bieten Motorräder, die aussehen, als kämen sie direkt aus den wilden 1960er-Jahren. Ein simpler Rohrrahmen aus Stahl nimmt einen Motor auf, der entweder wirklich alt ist oder zumindest historisch aussieht. Ein bevorzugt rundlich gehaltener Tank, eine kurze, schlichte Sitzbank dahinter, dazu Drahtspeichenräder und ein halbkugelförmiger Scheinwerfer verleihen dem Motorrad seinen Oldie-Look. Manche Umbau-Werkstatt kann sich vor Aufträgen kaum noch retten. PS-Zahlen oder Höchstgeschwindigkeit interessieren hier niemanden, es geht einzig um das nostalgische Flair und den Auffall-Faktor. Dass die Retro-Bikes sich meist auch noch spielerisch fahren lassen, kommt als positiver Nebeneffekt hinzu.

Immer mehr Hersteller springen auf den Zug auf, entdecken ihre eigene Firmengeschichte neu und entwerfen moderne Interpretationen uralter Modelle. BMW präsentierte voller Stolz zum eigenen 90. Geburtstag die „R nine T“. Der 1200er-Boxer, selbstverständlich noch mit Luftkühlung, dient als Basis. Das Modell zieht seine Faszination aus dem Weglassen. Ein geschwungener Tank, eine für BMW-Verhältnisse spartanische Sitzbank, Drahtspeichenräder, eine breite Lenkstange und – endlich – kein Telelever mehr, sondern eine gold eloxierte Upside-Down-Gabel. Eine konventionelle Telegabel wäre zwar noch stilechter gewesen, aber auf dieses Zugeständnis an die moderne Technik wollte BMW dann doch nicht verzichten. Obwohl mit 14.500 Euro nicht gerade billig, stürmten die Kunden die Händler, noch bevor auch nur eine R nine T das Werk in Berlin verlassen hatte.