Glasfaser-Märchen: Gigabit-Internet für Norwegens Bezirk Hjelmeland

Die Gigabit-Internet-Zukunft beginnt an einem Fjord: Während anderswo VDSL-Vectoring mit maximal 100 MBit/s als der Glücklichmacher beim Breitbandausbau gilt, kriegt ein norwegisches Örtchen mal eben Gigabit-Anschlüsse.

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Von
  • dpa

Die norwegischen Trolle haben gut lachen dieser Tage: Während sich anderswo Fachleute, politische Entscheider und Surfer in der Wolle haben, ob nun VDSL-Vectoring- oder der Glasfaseranschluss beim Breitbandausbau glücklich macht, kriegt Norwegens gerade mal 2800 Einwohner zählender Bezirk Hjelmeland mal eben Gigabit-Internet. Dabei sollte man meinen, dass die Topologie der Region mit ihren diversen Fjorden und Bergen jedem Netzbetreiber Schweißperlen auf die Stirn treibt. Viele Vectoring-Verfechter führen ja gerade die hohen Investitionskosten beim Verlegen der Leitungen als Hauptargument gegen die Glasfaser ins Feld. Doch der Ausbau hat bereits begonnen. Die ersten Kunden will der norwegische Netzbetreiber Altibox in der ersten Jahreshälfte 2014 auf sein Netz aufschalten. Jeder, der eine Verbindung mit dem Glasfasernetz wünscht, soll sie bis 2016 erhalten.

Mit seinen weit verstreuten Gebäuden ist Hjelmeland vielleicht einer der schwierigsten Bezirke Norwegens für die Installation eines Glasfasernetzes, so der Vorstandsvorsitzend von Altibox, Toril Nag. "Dieses Projekt wird einen neuen Standard setzen, für das was möglich ist, wenn örtliche Regierungsstellen, Einwohner und Dienstleister auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten. Nach unserer Einschätzung gibt es aktuell nur wenige Haushalte, die so weit vom Hauptkabel entfernt liegen, dass die Investition in einen Glasfaseranschluss
wirtschaftlich nicht sinnvoll ist."

Die Gigabit-Internet-Zukunft beginnt an einem norwegischen Fjord: Die Installation des Glasfasernetzes hat bereits begonnen. Im Bild ist das Zentrum des malerisch gelegenen 2800-Seelen-Örtchens zu sehen.

Die Kombination von Terrain, Einwohnerzahl und aktuellem Mangel an schnellen Breitbandangeboten machen den Bezirk zu einem interessanten Testfall für die Möglichkeiten der Glasfasertechnik. "Altibox wird die Entwicklungen im Bezirk genau verfolgen. Wir werden das Nutzerverhalten, die neu angebotenen Behördendienste, die Nutzung in Ferienhäusern, den Beitrag zur Geschäftsentwicklung und die Inanspruchnahme von neuen Infokanälen für die Einwohner im Auge behalten. Hjelmeland wird zum` Labor für ultraschnelles Breitband in Norwegen", sagte Toril Nag. Andere norwegische Altibox-Kunden sollen in absehbarer Zeit ebenfalls in den Genuss der hohen Netzgeschwindigkeit kommen.

Erklärtes Ziel der norwegischen Regierung sind Breitbandzugänge für alle Norweger bis 2017 mit mindestens 100 MBit/s. Die EU will bis 2020 immerhin der Hälfte aller Teilnehmer Breitbandgeschwindigkeiten über 100 MBit/s verschaffen. Den Einwohnern von Hjelmeland werden 1.000 MBit/s geboten. Mit dem neuen Netz trägt Hjelmeland sein kleines Schärflein zum Erreichen des Regierungsziels bei. "Wir bauen für die Zukunft", erklärt Toril Nag und führt zur Begründung der ambitionierten Ausbaustretegie Untersuchungen von Google ins Feld. Analysen des Suchmaschinenriesen hätten gezeigt, dass Gigabit-Kapazität nötig sein wird, "um den gestiegenen Anforderungen durch simultanes Streaming auf mehreren Geräten, bessere digitale Bildqualität, Gesundheitstechnik und Sozialdienste, Transport und intelligentere öffentliche Dienste gerecht zu werden". Altibox wollte im gesamten Jahr 2013 rund 40.000 Neukunden gewinnen. Derzeit versorgt das Unternehmen mit Partnern 330.000 Haushalte mit Internet über Glasfaseranschlüsse.

Der Bezirk wird das erste größere Gebiet sein, in dem die neueste Glasfasertechnik als Infrastruktur installiert wird. Öffentliche Gebäude im Bezirk, wie Rathäuser, Schulen und Pflegeeinrichtungen, werden zuerst angeschlossen. Danach erhalten fast alle 2800 Einwohner von Hjelmeland, rund 1000 Ferienhausbesitzer und alle örtlichen Unternehmen die Möglichkeit, sich an das Glasfasernetz anschliessen zu lassen. Freilich darf man gespannt sein, wieviele Kunden das Angebot finden wird: Ein Anschluss soll nämlich 120 Euro pro Monat kosten. Neben dem Gigabit-Internet-Zugang sind auch TV-Dienste und IP-Telefonie enthalten. Update: Hinzu kommt, dass die Gemeinde und der Netzbetreiber voraussetzen, dass Teilnehmer selbst zur Schaufel oder Traktor greifen und Gräben von der Hauptleitung bis zum Haus ausheben. Das sei erforderlich, um die Anschlusskosten von rund 22.000 norwegischen Kronen pro Haushalt zu drücken (circa 2600 Euro). Erst mit Eigenarbeit der Teilnehmer sei die übliche Anschlußgebühr von 1490 Kronen auch in Hjelmeland aufrechtzuerhalten (rund 175 Euro).

Örtliche Regierungsgebäude, erste Privathäuser und ausgewählte Unternehmen werden noch in der ersten Hälfte von 2014 an das Netz angeschlossen. Die Bürgermeisterin von Hjelmeland, Trine Danielse, sieht große Chancen jenseits des bloßen Surf- und TV-Vergnügens. "Wir können uns auf ein unglaublich aufregendes Jahr einstellen. Wir glauben, dass wir mit der Installation der modernsten Infrastruktur zur Datenkommunikation in Norwegen noch attraktiver als Wohnort für Menschen aller Altersgruppen werden. Langfristig könnte das Glasfasernetz beispielsweise älteren Einwohnern ermöglichen, mit Hilfe von intelligenter Haustechnik und neuen Lösungen zur Selbsthilfe länger zu Hause zu wohnen. Ausserdem wird das neue Glasfasernetz die Geschäftsentwicklung im ganzen Bezirk ankurbeln und eine starke Basis bilden, auf der vorhandene ebenso wie ganz neue Unternehmen aufbauen können". Die Gemeinde Hjelmeland stützt das Projekt mit 3 Millionen norwegischen Kronen (umgerechnet rund 410.000 Euro). Das Verlegen der Leitungen in Hjelmeland hat der Altibox-Partner Lyse Fiber übernommen. Das Unternehmen beziffert seine Aufwendungen mit 10 Millionen norwegischen Kronen (umgerechnet rund 1,4 Millionen Euro). (dz)