Ex-NSA-Justiziar: "Wenn die Terroristen Technik benutzen, müssen wir das auch"

Interessante Einblicke in die Gedankenwelt amerikanischer Geheimdienste gewährte der ehemalige NSA-Justiziar Stewart Baker bei einem Datenschützer-Kongress in Brüssel. Unter anderem stellte sich Baker den Fragen des Wikileaks-Aktivisten Jacob Appelbaum.

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Von
  • Jan-Keno Janssen

Debattierten in Brüssel (von links): Stephen Deadman von Vodafone, Ex-NSA-Justiziar Stewart Baker, Journalist Jacob Appelbaum und Berater Ralf Bendrath

(Bild: Jan-Keno Janssen)

Eines muss man dem ehemaligen NSA-Justiziar Stewart Baker lassen: Er ist mutig. Schließlich braucht man eine gehörige Portion Chuzpe, um sich ausgerechnet bei einem Datenschützer-Kongress aufs Podium zu setzen und die umfangreichen Abhör-Aktivitäten der US-Amerikaner zu verteidigen – so geschehen am Donnerstagabend bei der europäischen Tagung des Berufsverbands IAPP in Brüssel. Mit auf der Bühne: Hacker und Wikileaks-Journalist Jacob Appelbaum sowie Netzpolitik-Berater Ralf Bendrath und der Vodafone-Datenschutzbeauftragte Stephen Deadman.

Für Ex-NSA-Mann Baker zeige die europäische Kritik an den amerikanischen Geheimdienst-Praktiken vor allem die europäische Doppelmoral: Alle Länder würden ihre Freiheit mit abgehörten Informationen verteidigen. Appelbaums und Bendraths Einwände, dass die Dimensionen (Stichwort: World of Warcraft) komplett andere seien, ließ Baker nicht gelten. Ralf Bendrath betonte, dass in Europa ein Fundamentalrecht auf Datenschutz bestehe, das auch für Nicht-EU-Bürger gilt. Die Amerikaner schützten dagegen nur ihre eigenen Staatsbürger.

Laut Baker könne man es den Menschen nicht klarmachen, dass der Staat und dessen Geheimdienste technisch abrüsten sollen, während Terroristen auf modernste Technik zugreifen: "Wenn die Terroristen Technik nutzen, müssen wir das auch." Bendrath: "Ich wüsste nicht, dass die Taliban riesige Rechenzentren haben und an allen Internet-Backbones mithören." Das nun nicht, so der Ex-NSA-Justiziar. Aber: Es seien schließlich moderne technische Errungenschaften wie Flugzeuge und Geldautomaten gewesen, die den Terroranschlag am 11. September 2001 möglich gemacht hätten, lautete Bakers rasante These.

Laut Appelbaum sei die Demokratie in großer Gefahr, wenn sich wegen allgegenwärtiger Mithörer niemand mehr traue, sich frei zu äußern. Sein Lösungsansatz: Alles muss verschlüsselt werden. Baker glaubt nicht daran. Die Welt stecke mitten im goldenen Zeitalter der Spionage, und das, obwohl Ende-zu-Ende-Verschlüsselung längst problemlos möglich ist.

Noch hitziger als Baker befragte Appelbaum während der Podiumsdiskussion Stephen Deadman von Vodafone. Appelbaum wollte wissen, warum Vodafone während des Umbruchs in Ägypten nicht nur das Mobilfunknetz auf Wunsch des Mubarak-Regimes tagelang abgeklemmt, sondern sogar Propaganda-SMS verteilt hat. Man müsse verstehen, dass Vodafone sich nicht einfach den Anweisungen der Regierung widersetzen kann, rechtfertigte sich Deadman. Außerdem habe man viel Geld in Ägypten investiert. (jkj)