Direkt-Wahl der Internet-Verwaltung

ICANN-Konferenz in Kairo: Internet-Nutzer sollen einen Teil der ICANN, der Organisation zur Internet-Verwaltung, nun doch direkt wählen.

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Von
  • Monika Ermert

Noch in diesem Jahr wird die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) Internet-Nutzer zu den Wahlurnen bitten. Bei ihrer Sitzung in Kairo änderte die Organisation, die über alle Fragen des Domain Name Systems entscheidet, allerdings in letzter Minute den Wahlmodus. In direkten Wahlen sollen nun insgesamt fünf Vertreter für das ICANN-Board bestimmt werden – bislang war ein indirekter Wahlmodus vorgesehen (siehe "Wahlkampf für die Internet-Verwaltung gestartet"). Kandidaten werden von einem Nominierungskommittee der ICANN vorgeschlagen, ICANN-Mitglieder können ebenfalls Vorschläge machen.

Ursprünglich sollten die Nutzer 18 Mitglieder in ein so genanntes At-large-Council als Organ der Individualmitglieder wählen, das seinerseits neun allgemein gewählten Direktoren bestimmt hätte. Damit wäre nach dem ursprünglichen Plan die Hälfte des Direktoriums vom Volk gewählt worden. Das Center for Democracy and Technology und die Free-Speech-Organisation Common Cause warnten allerdings in einem von der amerikanischen Markle-Foundation finanzierten Bericht vor schlecht vorbereiteten Wahlen und kritisierte den indirekten Wahlmodus.

Jerry Berman vom Center vor Democracy erklärte auf dem ICANN-Treffen in Kairo: "ICANN hat schon viele Schritte in Richtung Öffentlichkeit gemacht, jetzt wird ICANN wirklich öffentlich." Umso wichtiger sei es, dass die ICANN die potenziellen Wähler nicht einfach vor den Schirm setze, sondern ihre Aufgabe deutlich mache. Board-Mitglied Vint Cerf kritiserte die komplizierten ICANN-Wahldiskussionen mit dem Hinweis, es gehe überhaupt nicht um globale Demokratie, sondern um die Wahl fähiger Direktoren.

Auf eine Verzögerung der Wahl wollten sich die 18 derzeitigen Direktoren nicht einlassen, zumal das selbstgesetzte Quorum von 5.000 Mitgliedern bereits erreicht ist. Noch vor November wählen deshalb Nutzer aus Nordamerika, Europa, Asien/Pazifik, Lateinamerika und Afrika jeweils ihren Vertreter für das Board. Das fünfköpfige Nominierungskomittee wird sich aus ICANN-Direktoren und externen DNS-Experten zusammensetzen. "Bislang hat definitiv zu viel Diskussion in den USA stattgefunden, für das Nominierungskomittee suchen wir deshalb vor allem nach nicht-amerikanischen Experten auf dem Gebiet," sagte ICANN-Präsident Mike Roberts.

Vertröstet wurden auf der Versammlung in Kairo wieder einmal diejenigen, die seit Jahren auf die neuen Top Level Domains (gTLDs) warten. Doch ein Beschluss der Direktoriums besagt, dass beim nächsten Treffen der ICANN in Yokohama die Direktoren endgültig über ein Modell entscheiden wollen. Auch Network Solutions (NSI), lange Zeit einziger Registrar für .com-, .net- und .org-Domains, ist nicht uninteressiert, sich wieder für eine neue Registry zu bewerben. Dies erklärte zumindest Roger Cochetti, der erst vor kurzem von IBM zu NSI gewechselt ist.

Kritik handelte sich die ICANN wegen ihrer Finanzpolitik ein; die Vertreter der Fachgruppen forderten eine genauere Offenlegung des 5-Millionen-Budgets, aus dem die ICANN im laufenden Geschäftsjahr Rücklagen bilden will. Um Harmonie waren dagegen scheinbar die Registrare von Länder-Domains (ccTLDs) und Regierungsvertreter bemüht. Die Differenzen über den Versuch des Governmental Advisory Committe, den Anspruch der Regierungen auf mögliche Redelegationen zu fixieren, bleiben aber bestehen. Bis zum nächsten Treffen wollen die ccTLD-Vertreter ein gemeinsames Positionspapier vorbereiten. Einen ausführlichen Bericht zu den Auseinandersetzungen um die Länder-Domains bringt c't in Ausgabe 6/2000 (ab dem 13. März im Handel). (Monika Ermert) (jk)