Kommentar: Streaming-Abmahnungen - letzte Hoffnung Pornobranche

Viel schlimmer kann es vor allem für Familienväter kaum kommen -- kurz vor dem Fest der Liebe werden sie des Urheberrechsverstoßes beim Porno-Gucken bezichtigt. Aber nicht nur die Abmahner sind an Dreistigkeit kaum zu überbieten, meint Martin Fischer.

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Kurz nachdem das Weihnachtsgeld auf dem Konto war, flatterten Abmahnbriefe bei zehntausenden Internet-Nutzern in die Briefkästen. Viel schlimmer kann es vor allem für Familienväter kaum kommen – kurz vor dem Fest der Liebe werden sie von einer Rechtsanwaltskanzlei des Urheberrechsverstoßes bezichtigt. Thema: Porno-Streaming. Das wird die Frau wahrlich freuen. Viele Betroffene haben wahrscheinlich die geforderten 250 Euro schnell gezahlt, bevor es zu Hause richtig ungemütlich wird.

Ein Kommentar von Martin Fischer

Martin Fischer arbeitet seit 2008 bei Heise, mittlerweile als stellv. Chefredakteur bei heise online. Er kennt sich mit GPUs, Spiele-Engines und Computergrafik aus und befasst sich gerne mit Geheimprojekten.

Und genau darauf setzte der dubiose Abmahn-Klüngel. Er hat ein gesellschaftliches Tabu genutzt, um Geld zu machen. Jeder, der nach Kenntnis der Sachlage behauptet, es ginge tatsächlich in erster Linie um die Verteidigung von Urheberrechten, glaubt auch, dass Zitronenfalter Zitronen falten.

Die Argumentation der Abmahnanwälte, dass das Zwischenspeichern der Streaming-Inhalte ein Vervielfältigen darstelle, ist fragwürdig. Sollte diese Argumentation tatsächlich greifen, dürften deutsche Internet-Nutzer auch Seiten wie Youtube oder Vimeo nicht mehr ansurfen. Das Ansehen eines von einem beliebigen Nutzer ins Netz gestellten Musikvideos oder Filmausschnittes könnte dann zur Abmahnung führen. Das würde das Internet in die Steinzeit katapultieren – zumindest in Deutschland.

Glück für die Collegen, dass einige Richter in Deutschland offenbar nicht zwischen Tauschbörse und Streaming-Portal unterscheiden können. Auch die Ermittlung der IP-Adressen der Streaming-Nutzer ist anscheinend nicht mit rechten Dingen zugegangen. Offenbar wurden Nutzer gezielt zu einem Fake-Proxy umgeleitet, der die Adressen abgriff und sie schließlich an einen der abgemahnten Porno-Clips weiterleitete. Kein Wunder, dass sich die Abmahner zur Art und Weise der IP-Ermittlung bis jetzt nicht geäußert haben, obwohl sie vor allem in Diskussionsforen unter Dauerfeuer empörter Nutzer stehen.

Dass die Abmahner allerdings noch öffentlich damit drohen, in den kommenden Monaten auch Nutzer anderer Portale anzuschreiben, ist in Hinblick der derzeit bekannten Details an Frechheit kaum noch zu überbieten. Es zeigt aber auch: Sie haben vor dem deutschen Rechtsstaat oder der Politik anscheinend nichts zu befürchten. Sollte nicht eigentlich ein Staatsanwalt schon längst Beweise bei den Abmahnern sichergestellt haben?

Seine Hoffnung kann der deutsche Internetnutzer offenbar nur noch auf einen setzen: die Porno-Industrie. Die wird sich wohl kaum das Streaming-Geschäftsmodell kaputt machen lassen. Redtube hat bereits rechtliche Schritte angekündigt. Das könnte den Abmahn-Collegen noch teuer zu stehen kommen.

Siehe dazu auch:

(mfi)