Bundestag streitet über biometrischen Personalausweis

Ein Antrag der Grünen gegen die Einführung von Fingerabdrücken in den geplanten elektronischen Personalausweis hat zu einer kontroversen Debatte über das Vorhaben des Bundesinnenministeriums und der Koalition geführt.

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Ein Antrag der Grünen (PDF-Datei) gegen die Einführung von Fingerabdrücken in den geplanten elektronischen Personalausweis hat am heutigen Freitag zu einer kontroversen Debatte über das Vorhaben des Bundesinnenministeriums und der großen Koalition geführt. "Die größten Dummheiten aus dem Passgesetz sollen auf Scheckkartenformat komprimiert werden", warnte der Sprecher für innere Sicherheit der Grünen, Wolfgang Wieland, im Rahmen der halbstündigen Aussprache. Der Sicherheitszuwachs aus der Aufnahme von Fingerabdrücken in die zweite Stufe des biometrischen Reisepasses sei "gleich Null" gewesen. Vielmehr würden inzwischen etwa auch noch die sensiblen Fingerkuppenmerkmale von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble "rumgehen", verwies Wieland auf die Veröffentlichung der Abdrücke des CDU-Politiker durch den Chaos Computer Club (CCC).

Der Grüne betonte, dass der Personalausweis ein "Zwangsdokument" sei und somit aus einer erkennungsdienstlichen Maßnahme für Ganoven "eine Pflichtung für jeden" würde. Eine größere Misstrauenserklärung des Staates gegen die Bürger sei kaum vorstellbar. Die Übernahme der Begründung aus der Debatte um den E-Pass, dass das Vorhaben der Abwehr des internationalen Terrorismus gelte, sei "aberwitzig". Derlei Verbrecher "reisen ja wohl nicht mit deutschen Personalausweis". Weiter gab Wieland zu bedenken, dass die Versuchung zum Anlegen einer zentralen Referenzdatei beim biometrischen Personalausweis noch größer sei als beim Pass. "Dann hätten Sie sie alle", erklärte der Oppositionspolitiker in Richtung CDU/CSU-Fraktion, welche in der Diskussion über den Pass entsprechende Forderungen vehement vertreten hatte. Die ganze Bevölkerung dürfe aber nicht "ins Verbrecheralbum" gesteckt werden, bloß zum die Hightechwirtschaft hierzulande zu fördern.

Wieland freute sich über eine Vorabmeldung des Spiegel unter Berufung auf den Vorsitzenden des Innenausschuss des Bundestags, Sebastian Edathy (SPD), wonach das Projekt zur Aufnahme biometrischer Merkmale in den Personalausweis "vor dem Scheitern" stehe. Es gebe "keinen guten Grund, das Pflichtdokument Personalausweis mit biometrischen Merkmalen einzuführen, das ist teuer und bringt keinen Sicherheitsgewinn", sagte Edathy dem Magazin. Er könne sich allenfalls einen freiwilligen Ausweis mit entsprechenden Angaben vorstellen. Ende Mai soll es dazu ein Krisengespräch zwischen den Koalitionspartnern geben.

Der SPD-Innenpolitiker Frank Hofmann relativierte im Parlament die Aussagen Edathys. Die Risiken der Biometrie und der beim Pass zum Einsatz kommenden sowie beim Personalausweis vorgesehen drahtlosen Auslesetechnik des Speicherchips sind seiner Ansicht nach "durchaus beherrschbar". Der Antrag habe bei ihm "Erstaunen und Kopfschütteln ausgelöst". Es sei eine Riesenleistung, "soviel Humbug in so wenig Zeilen" zu packen. Eine zentrale Referenzdatei sei längst vom Tisch. "Wir werden ganz genau prüfen, ob diese Maßnahme überhaupt erforderlich ist", kündigte Hofmann in Bezug auf die im Raum stehende biometrische Aufrüstung der Ausweisdokumente schließlich an. Die Verknüpfung mit einer elektronischen Signatur für die Absicherung von Geschäften im Internet solle auf jeden Fall nur auf Wunsch beantragt werden können.

Keinen Zweifel am Festhalten an dem Vorhaben ließ Clemens Binninger von der CDU/CSU-Fraktion erkennen. Er prophezeite einen "Gewinn an Qualität, an Sicherheit und einen großen Zusatznutzen für den Bürger". Die Biometrie sei wichtig, weil damit bei einer Kontrolle die Daten auf dem Chip mit dem des Vorzeigers abgeglichen werden könnten und ein Missbrauch der "mehr als zwei Millionen" als entwendet gemeldeter Personalausweise verhindert werden könne. Die "Hysterie" um die Fingerabdrücke konnte Binninger nicht verstehen, da diese generell "ein flüchtiges persönliches Merkmal" seien. Wer sie wollte, könnte sie sich an Gläsern oder Türgriffen holen. Die Bürger würden die Technik zudem annehmen, was 1,5 Millionen Anträge für den Biometriepass der zweiten Generation belegen würden.

Die anderen Oppositionsparteien unterstützten dagegen nachhaltig den Antrag der Grünen. Gisela Piltz von der FDP monierte, dass das Innenministerium den Abgeordneten bis heute nicht einmal das Rohkonzept für den E-Personalausweis zur Verfügung gestellt habe. Eine zuverlässige Kostenschätzung gebe es ebenfalls noch nicht. Zudem sei bislang nicht einmal die Hälfte der Grenzübergänge mit biometrischen Lesegeräten ausgestattet. Es gebe auch keine Idee dafür, wie diese künftig bezahlt werden sollen, sodass der von der Union reklamierte Sicherheitsgewinn marginal sei. Piltz lehnte auch eine Koppelung mit der digitalen Signatur als "weiteren Schritt in die Totalüberwachung" ab, da damit jede Handlung im Internet verfolgt werden könnte. Sie erinnerte daran, dass rund 5,4 Millionen biometrische Pässe seit 2005 ausgegeben worden seien und diese somit "nicht der Renner bei den Bürgern sind".

Jan Korte von den Linken erklärte, dass es "keinen Handlungsbedarf" gebe. Das Innenministerium selbst habe beschieden, dass bei 62 Millionen sich im Umlauf befindlicher Personalausweise zwischen 2001 und 2007 nur 88 Totalfälschungen registriert worden seien. Der Koalition gehe es daher allein um die Datensammlung. Weiter machte er sich für ein Moratorium für alle in den vergangenen zwei Jahren geplanten Sicherheitsgesetze stark. Der fraktionslose Gert Winkelmeier forderte, zumindest die eingeforderte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum E-Pass abzuwarten.

Zum ePass, dem neuen elektronischen Personalausweis und den Auseinandersetzungen um Ausweise mit digitalisierten biometrischen Merkmalen siehe den Online-Artikel in c't – Hintergrund:

(Stefan Krempl) / (jk)