Abmahnungen wegen Porno-Streaming: Staatsanwaltschaft und Blogger gegen Redtube-Abmahner

Die Staatsanwaltschaft Köln prüft Ermittlungen wegen falscher eidesstattlicher Versicherung. Unter anderem wies zudem ein findiger Blogger nach, wie die Rechteinhaberin der Pornoschnipsel mit den "Ermittlern" der angeblichen Rechtsverstöße verbandelt ist.

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Von
  • Holger Bleich
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In Sachen Redtube-Massenabmahnwelle prüft nun neben der Berliner auch die Kölner Staatsanwaltschaft, ob sie strafrechtliche Ermittlungen einleiten soll. Gegenüber heise online bestätigte deren Sprecher Ulrich Bremer, dass der Verdacht einer "falschen Versicherung an Eides statt" im Raum steht.

Bei den Ermittlungen der Staatsanwaltschaften geht es um die Anträge auf zivilrechtliche Auskunft, mittels derer Rechtsanwalt Daniel Sebastian an die Anschlussinhaber zu IP-Adressen kam. Darin hat ein angeblicher Mitarbeiter der Firma itGuards Inc. eidesstattlich versichert, mit einer Software namens GLADII fehlerfrei die IP-Adressen der abgemahnten angeblichen Porno-Konsumenten ermittelt zu haben. Viele Kammern des Landgerichts Köln haben diese Versicherung wohl geglaubt und die entsprechenden Anträge durchgewinkt, was nun für heftige Kritik sorgt.

Bei der Staatsanwaltschaft Regensburg, die zuständig für strafrechtliche Ermittlungen gegen die abmahnende Anwaltskanzlei Urmann + Collegen (U+C) wäre, sind nach Angaben eines Sprechers "etliche Strafanzeigen" von Abgemahnten eingegangen. Der Vorwurf gegen Urmann lautete stets Betrug. Bisher seien keine Ermittlungen angelaufen. Die vorliegenden Strafanzeigen seien im Gegenteil bereits ad acta gelegt worden. Es sei nicht schlüssig vorgebracht worden, dass in den Abmahnungen von U+C wahrheitswidrige Behauptungen enthalten seien, die einen Betrugsverdacht begründen würden, so der Sprecher gegenüber heise online.

Derweil tragen findige Blogger Fakten zu dem Geflecht zwischen der abmahnenden Rechtsanwaltskanzlei U+C, dem Rechteinhaber The Archive AG sowie der itGuard Inc. zusammen, die die Rechtsverstöße ermittelt haben soll. Insbesondere Klemens Kowalski hat für sein Blog kowabit.de recherchiert und erläutert, dass die Beziehung zwischen The Archive und itGuard besonders innig sein muss: Die Web-Auftritte beider Firmen laufen auf demselben Host beim Provider wix.com. Inzwischen bestätigte der Hoster sogar, dass die Domains the-archive.biz, the-archive.ch und itguards.net unter einem Kunden-Account mit dem User-Namen "the-archive" administriert werden.

Wie Kowalski herausfand, ist itGuards am 21. März 2013 gegründet worden. Bereits am 22. März 2013, also einen Tag nach Firmengründung, war jenes Rechtsgutachten der Anwaltskanzlei Diehl & Partner zur GLADII-Software fertiggestellt, mit dem Rechtsanwalt Sebastian in seinen Anträgen die Fehlerfreiheit der IP-Adress-Ermittlung glaubhaft gemacht hat. All dies verstärkt den Eindruck, dass hier die Vorbereitungen zu einer koordinierten Abmahnwelle getroffen wurden. Die Übertragung der Rechte an den Porno-Videoschnipseln an The Archive erfolgte dann am 18. Juli 2013, eine knappe Woche später sollen bereits die ersten Rechtsverletzungen stattgefunden haben.

Dass die Anwaltskanzlei U+C in der Vergangenheit eng mit ihren Mandanten zusammengearbeitet hat, hat jüngst die Piratenpartei nachgewiesen. Sie veröffentlichte Dokumente, die ihr zugespielt wurden. Aus Kontobewegungen gehe hervor, dass "Urmann und Collegen bei Abmahnungen in der Vergangenheit geschäftsmäßig betrogen hat. So wurde – anders als behauptet – dem Rechteinhaber nur ein Teil der anfallenden Anwaltsgebühren in Rechnung gestellt und somit implizit ein Teil der Einnahmen als Provision für die Erteilung des Mandats an den Rechteinhaber ausgezahlt", teilte die Partei am heutigen Dienstag mit.

Mit einem engagierten Blog-Beitrag meldete sich zudem die Kölner Rechtsanwältin Anja M. Neubauer zu Wort, die selbst etliche Mandanten gegen U+C verteidigt hat. Gegen einige Kollegen, die in großer Zahl Abgemahnte vertreten, erhebt sie den Vorwurf, die Angst der Mandanten zu schüren: "Da wird in Kameras gegrinst 'ja, das ist eine juristische Grauzone', um medienwirksam die Panik weiterzuschüren." Neubauer weist darauf hin, dass es sich bei der urheberrechtlichen Bewertung von Streaming-Diensten nicht um eine "Grauzone" handle, es sei lediglich noch keine zivilrechtliche Entscheidung zur Unbedenklichkeit von Streaming-Konsum ergangen.

Auch an der Prüfpraxis des Landgerichts Köln zu zivilrechtlichen Auskunftsanträgen lies Neubauer kein gutes Haar. Sie habe einem LG-Richter den Nachweis erbracht, dass eine eidesstattliche Auskunft in einem Antrag unwahr sein muss. Der Richter habe geantwortet: "Ja, da kann ich ja auch nichts machen, ich kann ja nicht prüfen, ob die richtig sind, das hat jemand an Eides statt versichert und dann kann und muss ich mich darauf auch verlassen."

Siehe dazu auch:

(hob)