IBM stellt Mitarbeit in der ISO in Frage

Big Blue überprüft nach den Erfahrungen mit der umkämpften Normierung von Office Open XML (OOXML) in Genf die Mitgliedschaften in Verbänden, Organisationen und Gruppen zur Erarbeitung offener Standards.

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IBM hat eine neue Unternehmensrichtlinie mit Bedingungen aufgestellt, unter denen der IT-Konzern künftig an der Erarbeitung offener Standards mitwirken will. Sie umfasst die sofort beginnende Prüfung aller Mitgliedschaften von Big Blue in entsprechenden Verbänden, Organisationen und Gruppen einschließlich der Internationalen Organisation für Normung (ISO). Darüber hinaus soll eine Art Pflichtenheft mit Kriterien angelegt werden, die über eine Beteiligung an der Mitarbeit an einem konkreten Standardisierungsverfahren entscheiden. Der Konzern zieht mit diesem Schritt die Konsequenzen vor allem aus der umkämpften Normierung von Office Open XML (OOXML) durch die ISO und ihre Schwestereinrichtung IEC (Internationale elektrotechnische Kommission).

In Genf und in den ISO-Mitgliedsstaaten hatte sich IBM vehement gegen die Zertifizierung des Dokumentenformats aus dem Hause Microsoft ausgesprochen. Die umfangreiche Spezifikation enthielt Big Blue zufolge schwere Fehler. Zudem wollte das US-Unternehmen eine Konkurrenz zu der bereits 2006 in Genf zertifizierten offenen Dokumentennorm Open Document Format (ODF) verhindern. Gegen das Normierungsverfahren von OOXML hatten vor allem auch Schwellenländer immer wieder protestiert. Die ISO wies bislang aber alle Vorwürfe zurück. Zuvor hatte es viele Berichte über Unregelmäßigkeiten rund um die Abstimmungen gegeben.

Orientieren will sich IBM bei weiteren Standardisierungsprozessen etwa an der Qualität und Offenheit der Verfahrensregeln, den Mitgliedschaftsregeln und den Bestimmungen zu geistigem Eigentum der entsprechenden Organisationen. Entwicklungsländer fordert der Konzern zudem auf, offene globale Standards anzunehmen und sich an der Erarbeitung solcher Normen stärker zu beteiligen. Die Aufsichtsstrukturen in Normierungsorganisationen sollten zudem weiterentwickelt werden und somit sicherstellen, dass technologische Entscheidungen, Abstimmungen und Schlichtungsverfahren "fair" durch unabhängige Teilnehmer und ohne ungebührlichen Einfluss ablaufen.

Auch für eine stärkere Zusammenarbeit mit Entwicklergruppen plädiert IBM, damit offene Standards für die Interoperabilität von Software letztlich frei zur Verfügung und Implementierung stehen. Regeln für geistige Eigentumsrechte sollten klar und einfach sein. Generell müsse der gleichberechtigte Einschluss aller Interessensvertreter inklusive der "Open-Source-Gemeinde" gewährleistet werden. IBM ruft andere Mitglieder von Standardisierungsgruppen auf, ähnliche Prinzipien aufzustellen und mit an der Reform der Normierungsgremien zu arbeiten. Die Überlegungen beruhen auf einer Online-Sondierung des Konzern vom Sommer, an der 70 unabhängige Experten aus Wissenschaft, Recht, Regierung und anderen politischen Einrichtungen teilgenommen haben sollen. (Stefan Krempl) / (pmz)