Federlesen #15: Verteidigung der Langweile und ein Plädoyer für mehr Nachhaltigkeit

Mit GNU und der GPL-Lizenz begann vor drei Jahrzehnten die Geschichte der Open-Source-Softwareentwicklung. Inzwischen ist die Open-Source-Welt um einige Lizenz- und Organisationsvarianten reicher und damit auch unübersichtlicher geworden.

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Von
  • Frank Pientka
Inhaltsverzeichnis

Mit GNU und der GPL-Lizenz begann vor drei Jahrzehnten die Geschichte der Open-Source-Softwareentwicklung. Durch die zunehmenden Verbreitung von Open-Source-Produkten in Firmen wuchs auch die Wichtigkeit des Themas Lizenzierung. So war für IBM 1999 die freie Apache-Lizenz der Anlass, mit der ASF-Stiftung (Apache Software Foundation) eine neue Organisationsform für die Entwicklung quelloffener Software mitzugründen. Inzwischen ist die Open-Source-Welt um weitere Lizenz- und Organisationsvarianten reicher und damit unübersichtlicher geworden.

Bei den Open-Source-Lizenzen dominieren zwar immer noch die Urgesteine GNU Public License (GPL) und Apache License (AL), doch die Lizenzvielfalt blüht auch hier. Das macht die Entscheidung für die Auswahl und den Einsatz von Open-Source-Software heute schwieriger denn je. Erschwerend kommt hinzu, dass viele Open-Source-Projekte gar keine Lizenz besitzen oder sie von Zeit zu Zeit wechseln.

Die erfolgreiche Plattform GitHub hat deswegen die Betreiber der auf ihr gehosteten Projekte dazu aufgefordert, ihren Code unter eine der in einem Ratgeber beschriebenen Lizenzen zu stellen. Entwickler und Nutzer von Open-Source-Software sollen so besser den Durchblick behalten können und eine Entscheidungshilfe für die Wahl eines Projekts an die Hand bekommen.

Beim Thema Innovation ziehen Plattformen wie GitHub oder Google Code viele neue Open-Source-Projekte an. Doch für viele Firmen sind Langlebigkeit, Unabhängigkeit und Rechtssicherheit weit wichtigere Ziele. Deswegen bieten einige Enterprise-Linux-Produkte einen Langzeitsupport an. Das selbe Ziel verfolgt eine Auswahl von Firmen mit der Eclipse-Long-Term-Support-Initiative (LTS) für Eclipse-Projekte; bisher leider ohne greifbare Ergebnisse.

Schon seit Längerem werden bei aktiven Apache-Projekten zwei Hauptversionen parallel gewartet und weiterentwickelt. Um den Patentschutz und die Klärung rechtlicher Angelegenheiten kümmert sich bei der ASF seit 2007 ein eigener Rechtsausschuss. Bis alle rechtlichen Fragen geklärt sind, verlängert sich jedoch manchmal die Zeit, die das Projekt im Inkubator verbringen muss. Dafür lassen sich so spätere Auseinandersetzungen und aufwändige Anpassungen der Software vermeiden.

Die ASF hat bei vielen professionellen Open-Source-Firmen immer noch einen guten Ruf. Das war zum Beispiel für Talend der Grund, die hauseigenen Open-Source-Projekte einheitlich unter die Apache-Lizenz zu stellen.

Ein großes Problem für die ASF ist die Produktivität der Committer. Da die Hauptlast der Entwicklung nur auf wenige Schultern verteilt ist, verschärft sich das Problem bei einer größer werdenden Zahl von Projekten immer mehr. Für neue Projekte und Funktionen lassen sich Entwickler leichter begeistern als für Wartungs- oder aufwändige Umbaumaßnahmen. Das beklagt auch der Leiter der Arbeiten an Apaches Server und Servlet Container TomEE David Belvins in seinem Blogeintrag "Is Open Source an Infinite Resource?"

Bei fast 200 Top-Level- und Inkubator-Projekten ist es leider so, dass von den rund 3600 Apache-Committern weniger als 250 mehr als 10-mal im Monat etwas beitragen. Das bedeutet gleichzeitig, dass viele Projekte oft nur von einer einstelligen Zahl von - meist bezahlten - Haupt-Committern wirklich weiterentwickelt werden. Selbst bei den Top10-Committern schwankt die Zahl der Commits zwischen 2958 und 744 in einem Jahr.