OK, Glass, find a Killer App!

Welche Anwendung könnte so zwingend sein, dass Nutzer freiwillig mit Googles Glasbalken vor dem Gesicht herumlaufen wollen? Verschiedene App-Entwickler arbeiten an Antworten.

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Von
  • Rachel Metz

Welche Anwendung könnte so zwingend sein, dass Nutzer freiwillig mit Googles Glasbalken vor dem Gesicht herumlaufen wollen? Verschiedene App-Entwickler arbeiten an Antworten.

Als Google im Sommer 2012 erstmals seine Datenbrille Glass vorstellte, war da sofort die Frage nach der Killer-App. Per Sprachbefehl Bilder schießen oder ein Video aufnehmen – dass das genug wäre, bezweifelten etliche IT-Experten. Nun ist das Gerät noch nicht auf dem Markt, doch verschiedene Entwickler arbeiten seit Monaten an Apps, die Glass zum Verbraucher-Hit machen sollen.

Satish Sampath und Kenny Stoltz etwa haben die App „Moment Camera“ entwickelt, die mehr aus der Fünf-Megapixel-Kamera der Datenbrille rausholen will. Die App knipst alle paar Sekunden ein Bild, sobald sie Gesichter im Bildfeld entdeckt hat. Der optimale Aufnahmezeitpunkt wird dabei aus den Daten des Beschleunigungsmessers, des Gyroskops und des Kompasses errechnet, die im Bügel von Glass stecken. Die Bilder werden dann nach ihrer Qualität sortiert und auf einen Server hochgeladen.

„Glass hat diese eingebaute Aufmerksamkeit, die ein Telefon in der Tasche oder auf dem Tisch liegend nicht hat“, sagt Stoltz. Mit Hilfe von Moment Camera könne der Nutzer seiner Tätigkeit weiter nachgehen und müsse sie fürs Fotografieren nicht unterbrechen. „Wir wollen den Leuten ihre Aufmerksamkeit zurückgeben“, so Stoltz.

In eine ähnliche Richtung denkt auch Thad Starner, einer der Pioniere tragbarer Computer und technischer Leiter des Glass-Teams bei Google. Seine App „Captioning on Glass“ soll in ein Smartphone gesprochene Wörter für Hörbehinderte transkribieren und im Glass-Display darstellen. „Mit einem Display im Gesichtsfeld kann der Nutzer ‚im Fluss’ eines Gesprächs bleiben, sich auf das Gesicht seines Gegenübers konzentrieren, um möglichst viel Information zu bekommen, während er das Gespräch forciert“, schrieb Starner kürzlich in Wired.

Während viele Apps extra für Glass entwickelt werden, wollen einige Entwickler Glass dafür nutzen, bereits existierende Apps besser laufen zu lassen, als dies auf Smartphones möglich ist. Denn das Display von Glass entspricht einem hochauflösenden 25-Zoll-Bildschirm in zweieinhalb Metern Entfernung, ist permanent sichtbar und ohne die Hände einzusetzen bedienbar.

Die Firma Quest Visual zum Beispiel hat ihre App „Word Lens“, die es für die Mobilbetriebssysteme Android und iOS gibt, in zweimonatiger Arbeit an Glass angepasst. Word Lens übersetzt dem User Schilder, die das Kameraauge einfängt – auch ohne Internetverbindung. „Glass erschien uns ideal für Word Lens, weil die Kamera jedem Blick folgt“, sagt Bryan Lin, Chef-Entwickler der Android-Version.

In der Glass-Version ist die Bedienung der App anders gestaltet – sie läuft über den Sprachbefehl: „OK, Glass, übersetz das“, wenn man vor einem Schild steht. Die App holt sich dann von der Kamera das Bild, wendet eine Buchstabenerkennung darauf an und blendet die Übersetzung ins Glass-Display ein.

Da Glass im Kern ein Android-basiertes Gerät ist, sind Glass-Apps für Android-Entwickler relativ einfach umzusetzen. Bislang können sie allerdings nur wenige Funktionen von Glass nutzen. So ist zum Beispiel der gesamte Bereich der Gesichtserkennung ausgeklammert. Google hatte bereits vor Monaten mitgeteilt, man werde derartige Funktionen nicht in Glass integrieren, solange nicht „ein starker Datenschutz implementiert“ sei.

Die Vorstellung, dass ein Glass-Träger sein Gegenüber scannt und augenblicklich nach Informationen über die Person sucht, mag manchem gefallen, bei Google verstand man jedoch, dass viele Menschen dies als Einbruch in die Privatsphäre empfänden. Stephen Balaban, Gründer von Lambda Labs, das Gesichtserkennungssoftware vertreibt, bietet dennoch Software-Bausteine ein, die Entwickler in ihre App einbauen können, um diese um eine Gesichtserkennung zu erweitern.

Zwar ist Glass eine ganz neue Geräteklasse, doch Entwickler müssen auch hier ein Problem lösen, das sich schon bei herkömmlichen Laptops und Mobiltelefonen stellte: Wie bekommt man Apps so hin, dass sie möglichst wenig Strom verbrauchen? In den technischen Spezifikationen, die Google zu Glass mitgibt, steht, der Strom reiche „bei normalem Gebrauch“ für einen Tag. Video-Anrufe oder Aufnahmen seien jedoch „batterieintensiver“. Apps, die mehrere Funktionen von Glass nutzen, dürften da wohl den Akku recht schnell aussaugen.

Quest Visual geht dieses Problem bei Word Lens so an, dass der Übersetzungsalgorithmus nur läuft, wenn die App in das Bild reinzoomt. Dies entlaste den Prozessor und spare Strom, sagt Bryan Lin. „Das ist der Teil der Entwicklungsarbeit, der uns einen Monat gekostet hat – wie man die App laufen lässt, ohne die Batterie in weniger als 15 Minuten leer zu machen.“

(nbo)