Koalitionsstreit um die Vorratsdatenspeicherung verschärft sich

Innenminister Thomas de Maizière hat seinen Kollegen im Justizressort, Heiko Maas, für dessen abwartende Haltung beim Protokollieren von Nutzerspuren gerüffelt. Außenminister Steinmeier und die Ex-Justizchefin stehen dagegen hinter Maas.

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Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hat seinen Kollegen im Justizressort, Heiko Maas (SPD), für dessen abwartende Haltung bei der Vorratsdatenspeicherung gerüffelt. "Wir müssen uns wohl alle noch daran gewöhnen, dass wir jetzt Koalitionspartner sind", konstatierte de Maizière am Dienstag. Dies verlange "im Umgang ein anderes Verhalten als früher".

Vorratsdatenspeicherung

Der Innenpolitiker erinnerte Maas zudem daran, dass der Koalitionsvertrag für alle gelte. Schwarz-Rot hat darin verabredet, die derzeit geltende EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung umzusetzen. Einen Zeitpunkt dazu haben CDU/CSU und SPD aber nicht mit festgehalten.

Maas möchte keinen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen, bevor der Europäische Gerichtshof (EuGH) sein Urteil zu den Brüsseler Vorgaben gesprochen hat. Dies wird voraussichtlich im Frühjahr der Fall sein. Der zuständige Generalanwalt hatte in seinem Plädoyer jüngst festgehalten, dass die heftig umstrittene Richtlinie nicht mit den EU-Grundrechten vereinbar sei.

Die Änderungsvorschläge in der Stellungnahme für die Luxemburger Richter entsprechen nach Ansicht de Maizière ziemlich genau dem, was auch der Koalitionsvertrag vorsehe. Deswegen blicke er "dieser ganzen Debatte gelassen entgegen". Einzelheiten wolle er "gemeinsam und intern" mit seinem sozialdemokratischen Kollegen besprechen.

Regierungssprecher Steffen Seibert kündigte parallel an, dass die erneuten Unstimmigkeiten rund um das verdachtsunabhängige Protokollieren von Nutzerspuren auch bei der nächsten Klausurtagung des Bundeskabinetts am 22. und 23. Januar auf Schloss Meseberg besprochen werden sollten.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hat sich derweil hinter den Justizminister gestellt. Er riet dazu, "genauer hinzuschauen". Maas habe Auseinandersetzung nicht ohne gute Gründe vom Zaun gebrochen. Es mache keinen Sinn, jetzt ein Gesetz zu verabschieden, dass nach dem Richterspruch möglicherweise wieder geändert werden müsse. Lob erhielt der Chef des Justizressorts von seiner Amtsvorgängerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Es sei gut, dass Maas die "Kehrwende des europäischen Generalanwalts" aufgegriffen habe, sagte die FDP-Politikerin der "Rheinischen Post".

Nach Bürgerrechtlern, die dem Justizminister den Rücken stärkten und das endgültige Aus für die Vorratsdatenspeicherung forderten, haben sich inzwischen auch mehrere Verbände zu dem Streit geäußert. So begrüßte etwa auch die Bundesrechtsanwaltskammer die Entscheidung von Maas, eine Neueinführung der Vorratsdatenspeicherung auf Eis zu legen. Das entsprechende Gesetzgebungsverfahren müsse von Beginn an auf eine Regelung ausgerichtet sein, "die sowohl verfassungsrechtlichen als auch europarechtlichen Voraussetzungen entspricht".

Der Geschäftsführer des Deutschen Richterbunds, Sven Rebehn, beteuerte gegenüber der "Neuen Osnabrücker Zeitung", dass Telefon- und Internetverbindungsdaten für eine effektive Strafverfolgung dringend erforderlich seien. Die große Koalition müsse daher nach dem erwarteten Urteil "unverzüglich handlungsfähig sein".

Der Bund deutscher Kriminalbeamter (BDK) kritisierte die "Verzögerungstaktik" des Justizministers scharf. Damit habe dieser "seine fachlichen Defizite" aufgezeigt und wandle auf den Spuren der Strategie seiner Vorgängerin, die dieser "im Ergebnis ihr Amt kostete". Die Polizei könne "Tag für Tag Hunderte von Fällen nicht aufklären, weil einzelne Politiker und sogenannte Netzaktivisten sachfremde Klientelpolitik betreiben". (jk)