Die Lösung des Stromspeicherproblems?

Forscher der Harvard University haben organische Verbindungen gefunden, mit denen sich die Kosten von Redox-Flussbatterien deutlich senken lassen. So könnte sich die Zwischenspeicherung von Solar- und Windstrom im großen Stil endlich rechnen.

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Von
  • Kevin Bullis

Forscher der Harvard University haben organische Verbindungen gefunden, mit denen sich die Kosten von Redox-Flussbatterien deutlich senken lassen. So könnte sich die Zwischenspeicherung von Solar- und Windstrom im großen Stil endlich rechnen.

Viele Energieerzeuger würden lieber heute als morgen den nachts erzeugten Strom aus Windparks zwischenspeichern, dann, wenn er kaum verbraucht wird. Am nächsten Mittag könnten sie ihn wieder ins Netz einspeisen, wenn der Verbrauch hochschnellt. Leider ist die heutige Batterietechnik hierfür noch zu teuer. Wirtschaftlich rechnet es sich höchstens, einige Minuten Strom zu speichern, mit denen sich die heftigsten Lastspitzen abfangen lassen. Forscher der Harvard University haben aber nun ein Material gefunden, mit dem die Strommenge von einigen Tagen zwischengespeichert werden könnte – ohne dass die Kosten explodieren.

Bei der Batterie handelt es sich um eine sogenannte Redox-Flussbatterie. Hier wird die elektrische Energie chemisch in großen Tanks gespeichert, um sie bei Bedarf wieder in nutzbaren Strom zu überführen. Die Harvard-Forscher haben herausgefunden, dass sich ein organisches Molekül aus der Klasse der Chinone als kostengünstiger Energiespeicher eignet. In der Natur kommt es in Pflanzen wie Rhabarber vor, lässt sich aber auch synthetisch aus Rohöl herstellen. Das Chinon könnte die Speicherkosten um zwei Drittel senken. Ihre Arbeit haben die Forscher im Wissenschaftsjournal Nature veröffentlicht.

Redox-Flussbatterien werden schon lange eingesetzt, wenn auch nicht im großen Stil. Denn pro Kilowattstunde gespeichertem Strom fallen Kosten von bis zu 700 Dollar an. Um wirtschaftlich zu sein, müssten die Kosten nach Berechnungen des US-Energieministeriums (DoE) auf 100 Dollar pro Kilowattstunde fallen.

In bisherigen Anordnungen wird häufig mit Vanadium-Verbindungen gearbeitet. Allein die Kosten für das Vanadium schlagen mit 80 Dollar pro Kilowattstunde zu Buche. Berücksichtigt man noch, dass die chemischen Speichermaterialien nur einen Teil der Betriebskosten ausmachen, scheint die 100-Dollar-Schwelle unerreichbar.

Mit Chinonen könnte sich das ändern. Sie könnten die reinen Materialkosten auf 27 Dollar pro Kilowattstunde senken, sagt Michael Aziz, Materialwissenschaftler an der Harvard University, der das Forschungsprojekt geleitet hat. Zusammen mit weiteren Verbesserungen in der Konstruktion von Redox-Flussbatterien rückt die Wirtschaftlichkeitsgrenze des DoE damit schon in den Bereich des Möglichen.

Die Harvard-Gruppe konnte mit ihrer Arbeit überhaupt zum ersten Mal zeigen, dass sich Redox-Flussbatterien auch mit organischen Verbindungen statt mit Metallionen betreiben lassen. Die Chinone können auch leicht verändert werden, um ihre Effizienz noch weiter zu steigern. „Die Optionen mit Metallionen sind alle hinlänglich ausgearbeitet“, sagt Aziz. „Wir stellen nun eine ganz neue Materialklasse vor.“

Nachdem die Harvard-Forscher Chinone als potenzielle Energiespeicher ausgemacht hatten, untersuchten sie mit Hochdurchsatz-Screening-Verfahren, wie sie auch in der Pharmaindustrie eingesetzt werden, 10.000 verschiedene Chinone. Dabei prüften sie, welches Spannungsniveau die Verbindungen aushalten, wie sie sich in wiederholten Lade- und Entladeprozessen verhalten und wie ihre Löslichkeit in Wasser ist.

Vorerst setzen die Harvard-Forscher Chinone nur im negativ geladenen Tank ihrer Flussbatterie ein. Auf der positiv geladenen Seite arbeiten sie noch mit Brom, einem giftigen Material, das korrodierend wirkt. Doch auch das Brom soll am Ende durch ein Chinon ersetzt werden.

Gemeinsam mit dem Start-up Sustainable Innovations entwickeln die Materialwissenschaftler einen Flussbatterie-Prototypen, der ungefähr die Größe eines Pferdeanhängers hat. Der wäre groß genug, um Strom aus einer Solaranlage auf einem Bürohaus zwischenzuspeichern. Die Harvard-Forscher sind jedoch nicht die einzigen, die hinter einer wirklich effektiven Redox-Flussbatterie her sind. Auch Firmen wie EnerVault und Sun Catalytics arbeiten daran, letztere ebenfalls mit organischen Verbindungen. EnerVault hingegen setzt auf Eisen und Chrom als Speichermaterialien.

Allerdings muss die Harvard-Gruppe noch zeigen, dass ihre Chinone haltbar genug sind. Typischerweise sollten sie zehn bis zwanzig Jahre ihren Dienst in den Flussbatterien versehen, sagt Robert Savinell, Chemieingenieur an der Case Western Reserve University. Die bisherigen Ergebnisse der Harvard-Gruppe seien aber vielversprechend. Das Material sei „ohne jeden Zweifel“ geeignet, die Strommenge von einigen Tagen in kostengünstiger Weise zu speichern. Zudem lasse sich der Stoff wohl recht schnell, innerhalb von einigen Jahren, so entwickeln, dass er als marktfähiges Produkt tauge.

Das Paper:
Huskinson, Brian et al.: "A metal-free organic–inorganic aqueous flow battery", Nature, Vol. 505, 9.1.2014. (nbo)