US-Überwachung: Die wichtigsten Ankündigungen aus Obamas Rede

Barack Obama hat eine ausführliche Grundsatzrede zu den Geheimdiensten gehalten. Er kündigte Reformen an, will Dinge verändern, und strukturiert um. Die wichtigsten Punkte in einer ausführlichen Zusammenfassung.

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Barack Obamas Rede am Freitag hat die Kritiker der US-Überwachung keineswegs besänftigt. Der US-Präsident äußerte sich nur zu Programmen, die bereits einer breiten Öffentlichkeit bekannt sind. Eine nennenswerte Einschränkung der Datensammlung kündigte er nicht an. Das war im Vorfeld aber auch nicht erwartet worden. Folgend die wichtigsten Vorhaben, die Obama in seiner Rede präsentiert hat:

Sofort wirksam

Zwei Punkte hat der Oberbefehlshaber in seiner Rede ausdrücklich als "sofort wirksam" hervorgehoben: Erstens wird die Verfolgung von Telefongesprächen um eine Dimension reduziert. Obama sagte: "Effective immediately, we will only pursue phone calls that are two steps removed from a number associated with a terrorist organization instead of the current three." Was genau mit "pursueing phone calls" gemeint ist, bleibt offen.

Ruft ein Terrorist den Pizzadienst, ist das eine direkte Verbindung. Ruft der nächste Kunde den Pizzadienst, ist er einen Schritt entfernt (one step removed). Ruft dieser Kunde dann seinen Arzt an, ist der zwei Schritte entfernt. Die Sprechstundenhilfe, die später ihren Babysitter anruft, oder ein anderer Patient des Arztes der fernmündlichen Kontakt aufnimmt, wären dann drei Schritte vom Terroristen entfernt und sollen nun nicht mehr verfolgt werden.

Zweitens soll der Zugriff auf die Vorratsdaten über Telefonverbindungen nur noch mit richterlicher Anordnung oder "im echten Notfall" erfolgen. Dies gilt für eine Übergangszeit. Ob die richterliche Anordnung für einen bestimmten Fall gelten muss, oder auch sehr allgemein gehalten sein darf, ging aus der Rede nicht hervor.

Absichtserklärungen

Obamas Rede enthielt viele Absichtserklärungen, aber wenig sofort wirksame Einschränkungen für die Geheimdienste.

(Bild: Screenshot)

"Konkrete und substanzielle Reformen, die meine Regierung administrativ anzuwenden beabsichtigt oder im Parlament in Gesetz umzusetzen versuchen wird" -- auf Deutsch Absichtserklärungen. Als ersten Punkt nannte Obama seine Presidential Policy Directive (PPD-28 als PDF). Dies ist ein auf Rat von und mit Zustimmung des Nationalen Sicherheitsrates verfasstes Dekret. Es zielt auf eine Stärkung der Verwaltungsaufsicht über die Geheimdienste und regelmäßige Evaluierungen ab. Eine Stärkung der Aufsicht durch das Parlament wird nicht angesprochen.

Zweitens soll die Öffentlichkeit mehr Informationen über die geheimdienstlichen Aktivitäten erhalten. Der Geheimdienstkoordinator soll jährlich jene Entscheidungen des Spionagegerichts FISC (Foreign Surveillance Intelligence Court), die einen "weitreichenden Einfluss auf die Privatsphäre" haben, darauf überprüfen, ob sie vielleicht veröffentlicht werden können. Der Geheimdienstkoordinator soll dann Obama und das Parlament informieren.

Drittens lädt Obama das Parlament ein, eine Rechtsgrundlage zu schaffen, auf der eine Gruppe regierungsunabhängiger Fürsprecher ("advocates") bestellt werden kann. Diese sollen dann vor dem Spionagegericht FISC eine unabhängige Stimme erheben dürfen.

Viertens bittet Obama den Justizminister sowie den Geheimdienstkoordinator, Beschränkungen für die Auswertung nach Abschnitt 702 des Foreign Intelligence Surveillance Act (FISA) abgehörter Kommunikation auszuarbeiten. Abschnitt 702 erlaubt Abhörprogramme außerhalb des Landes. Wird unter so einem Programm "nebenbei" Kommunikation zwischen US-Bürgern und Ausländern abgehört, sollen die Speicherung, Durchsuchung und Nutzung für strafrechtliche Belange eingeschränkt werden. Details bleiben abzuwarten.

Fünftens soll der Justizminister die berüchtigten Geheimbefehle des FBI (National Security Letter) überarbeiten. Ihre Geltung soll zeitlich befristet werden, außer die Behörde belegt einen "wirklichen Bedarf" an fortwährender Geheimhaltung. Außerdem sollen Telekommunikationsunternehmen mehr Informationen über die ihnen zugestellten National Security Letters bekanntgeben dürfen.

Sechstens möchte Obama die zentrale Speicherung der Vorratsdaten durch die Regierung in eine dezentrale Speicherung überführen. "Das wird nicht einfach", gestand Obama ein. Denn selbstredend sollen die Daten weiterhin erhoben und benutzt werden, die Macht der Spione soll ausdrücklich nicht eingeschränkt werden. Der Speicherung bei einer kommerziell betriebenen Zentrale kann er wenig abgewinnen. Diese Stelle würde lediglich eine Regierungsfunktion übernehmen, aber mit "höheren Kosten, rechtlichen Unsicherheiten und und möglicherweise weniger Verantwortlichkeit" übernehmen.

NSA-Skandal

Die NSA, der britische GCHQ und andere westliche Geheimdienste greifen in großem Umfang internationale Kommunikation ab, spionieren Unternehmen sowie staatliche Stellen aus und verpflichten Dienstleister im Geheimen zur Kooperation. Einzelheiten dazu hat Edward Snowden enthüllt.

Die dezentrale Speicherung bei den Telekommunikationsanbietern, wie in Deutschland üblich, sieht er auch problematisch. Das könnte die Firmen dazu zwingen, ihre Abläufe zu ändern, was neue Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes hervorrufen könnte.

Der Übergang soll in zwei Stufen erfolgen. Die erste Stufe sind die sofort wirksamen Maßnahmen (siehe oben). Über die zweite Stufe, die die Speicherung der Daten weg von einer zentralen Behörde bringt, sollen sich der Justizminister und die Geheimdienste bis spätestens 27. März den Kopf zerbrechen.

Derweil möchte Obama die Standpunkte der einschlägigen Parlamentsausschüsse in Erfahrung bringen. Anschließend will er sich dafür verwenden, dass die bis Ende März ausgearbeiteten Vorschläge vom Parlament auch verabschiedet werden.

Mehr internationale Zusammenarbeit

Ohne "überzeugenden Zweck für die nationale Sicherheit" sollen die Spitzen von Staat und Regierungen "unserer Freunde und Verbündeten" nicht mehr abgehört werden. Parallel soll die Zusammenarbeit mit ausländischen Geheimdiensten vertieft werden. Außerdem erteilte Obama der Wirtschaftsspionage eine Absage. Aus seinem Dekret geht hervor, dass Auslandsaufklärung und Spionageabwehr nicht für den kommerziellen Wettbewerbsvorteil von US-Unternehmen oder US-Branchen genehmigt ist. Fußnote 4 macht aber Ausnahmen: Die Feststellung der Verletzung von Handelsabkommen oder Sanktionen sowie der Einflussnahme oder Lenkung durch Regierungen ist weiterhin erlaubt.

Neue Posten und eine Arbeitsgruppe

Im Außenministerium schafft Obama die neue Position des "Koordinators für internationale Diplomatie". Er soll einerseits die diplomatischen und außenpolitischen Bemühungen der US-Behörden in IT-Angelegenheiten koordinieren. Andererseits soll er Anlaufstelle für ausländische Regierungen sein, die sich über US-Abhörprogramme beschweren möchten.

Im Weißen Haus selbst sollen ein oder mehrere "Privacy and Civil Liberties Official" (etwa: Zuständiger für Datenschutz und Bürgerrechte) bestellt werden. Er soll "soweit tunlich" mit dem Geheimdienstkoordinator, dem Justizminister, "anderen Teilen der Geheimdienste" und so fort arbeiten, um dabei zu helfen, sicherzustellen, dass die "legitimen Interessen an Privatsphäre, die alle Menschen teilen", in Betracht gezogen werden.

Dazu tritt eine Arbeitsgruppe zum Thema Big Data und Datenschutz. Sie soll sich mit führenden Unternehmen und mit Experten für Datenschutz sowie für Technologie auseinandersetzen. Ziel ist in erster Linie der freie Fluss von Informationen "im Einklang sowohl mit Datenschutz als auch der Sicherheit".

Was Obama nicht tut

Fußnote 9 des Dekrets schränkt dessen Bedeutung stark ein: "Dieses Dekret beabsichtigt nicht, die Regeln über US-Bürger des Präsidentendekrets 12333, des Foreign Surveillance Intelligence Act oder sonst anwendbaren Rechts zu ändern." Und am Ende des öffentlichen Teils wird ausgeführt, dass aus dem Dekret niemandem ein durchsetzbares Recht erwächst.

Zu nicht weithin bekannten Spionageprogrammen hat sich Obama nicht geäußert. Dafür hat er deutlich gemacht, dass die Vereinigten Staaten von Amerika weiterhin international spionieren werden. "Wir können unsere Geheimdienste nicht einseitig abrüsten", sagte der US-Präsident.

"Um das klarzustellen: Unsere Geheimdienste werden weiter Informationen über die Absichten von Regierungen – im Unterschied zu einfachen Bürgern – rund um die Welt sammeln, in der gleichen Weise, wie es die Geheimdienste aller anderen Nationen tun", betonte er an anderer Stelle der selben Rede, "Wir werden uns nicht entschuldigen, nur weil unsere Dienste vielleicht effektiver sind." (jo)