Forscher: Mächtige Quantencomputer noch weit entfernt – oder nicht

Deutsche Physiker sehen noch keine Gefahr, dass Quantenrechner in nächster Zeit gängige Verschlüsselungen knacken können. Der Quantenrechner D-Wave 2 etwa sei sehr langsam, aber Forscher haben auch schon ein viel mächtigeres Lasersystem auf Lager.

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Von
  • Andreas Stiller

Quantenphysiker der Universität Saarbrücken wiegeln die kolportierten Meldungen ab, die NSA könne in Bälde mit einem Quantencomputer aufwarten, welcher die aktuell benutzten Verschlüsselungsverfahren in Sekundenschnelle knacken könne. Derzeit, erklären die Saarbrücker Wissenschaftler Christoph Becher und Frank Wilhelm-Mauch, könne man nur maximal 14 elementare Quantenzustände (Qubits) miteinander verschränken und damit sehr primitive Rechenoperationen ausführen. Das reicht gerade mal, um die Zahl 15 in die beiden Faktoren 3 und 5 zu zerlegen. "Anders gesagt: Mit Papier und Bleistift könnte man Codes derzeit noch deutlich besser brechen als mit der Quantentechnologie“, so Wilhelm-Mauch.

Heute gängige Verschlüsselungsverfahren verwenden Zahlen mit zum Teil weit mehr als mehr als 100 Stellen. „Um solche Zahlen effizient in ihre Primfaktoren zu zerlegen, bräuchte man Computer mit Tausenden Qubits, die alle perfekt funktionieren“, so der Experte. Und davon ist die technische Entwicklung noch weit entfernt: „Verglichen mit der Entwicklung der herkömmlichen Computertechnologie sind wir auf dem Gebiet der Quantencomputer irgendwo bei den Elektronenröhren der 50er Jahre“, erklärt Christoph Becher.

Außerdem wachsen die Möglichkeiten der Verschlüsselungstechnik weit schneller, als die der Entschlüsslung, so dass man da auch mit Quantentechnik nicht hinterherkommt. Zudem könne die Quantentechnik selbst auch sichere Schutzmaßnahmen gegen das Abhören bereitstellen.

„Wenn ein Codeknacker Sie abhört, dann merken Sie das und hören auf zu kommunizieren. Das hängt damit zusammen, dass schon die Beobachtung eines Quantensystems im Allgemeinen dieses Quantensystem verändert – ein tausendfach bestätigtes Naturgesetz“, schreibt Frank Wilhelm-Mauch.

Auch der vieldiskutierte und umstrittene Quantenrechner von D-Wave steckt noch in ganz frühen Kinderschuhen. Das zeigt ein Benchmark von zahlreichen Wissenschaftlern, die Zugang zur D-Wave-2-Machine mit 512 Qubits an der University of South California hatten. "Defining and detecting quantum speedup" so lautet der Titel ihres kürzlich veröffentlichten Papiers. Aber ihr dort spezifizierte Benchmark zeigte zumeist keinen Geschwindigkeitsvorteil gegenüber einem klassischen Prozessor (Intel Xeon E5-2670) auf, sondern eher eine Verlangsamung um bis zu Faktor 100, jedenfalls, wenn man die Setup-Zeiten mit einbezieht. Lediglich bei kleinen Problemgrößen und beschränkt auf die reine Rechenzeit erwies sich der Quantenrechner etwas im Vorteil.

Wellenpakete aus zwei Lasern werden über Strahlteiler und Verzögerungsleitungen in verschiede EPR-Zustände (Einstein-Podolsky-Rosen) gebracht und aufeinanderfolgende Wellenpakete miteinander verschränkt.

(Bild: Yokoyama et al. )

Anderseits kann die Entwicklung weit schneller voranschreiten, als es selbst viele Experten für möglich halten. So haben es Wissenschaftler aus Japan und Australien geschafft, mehr als 10.000 Wellenpakete von zwei Lasern zu einem Quantencluster zu verschränken, wenn auch nicht räumlich sondern zeitlich mit aufeinanderfolgenden Wellenpaketen. Das beschreiben sie unter "Ultra-large-scale continuous-variable cluster states multiplexed in the time domain" in der Novemberausgabe von Nature Photonics, auch erhältlich bei Arxiv. Das ist mehr als das Tausendfache des aktuellen Rekords, der bei 8 photonischen Qubits lag und der auch noch sehr instabil war.

Wie und mit welcher Performance solche optischen Quantencluster für Quantenberechnungen (Measurement-based quantum computation, MBQC) herangezogen werden können, wird sich noch zeigen müssen. Aber möglicherweise geht es dann doch ganz schnell, dass heutige RSA-Schlüssel für solche Systeme kein Problem mehr sind. (as)