Snowden-Fragestunde: "Nicht jede Spionage ist schlecht"

Was wird aus Edward Snowden? Eine Amnestie für den in Russland gestrandeten NSA-Whistleblower scheint weiterhin ausgeschlossen. Doch Washington schlägt langsam versöhnlichere Töne an. Und Snowden stellt klar: Spionage ist nicht grundsätzlich schlecht.

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Von
  • dpa

Edward Snowden: "Wir können die Gesetze korrigieren, den Überschwang der Dienste einschränken und die hohen Beamten, die für diese widerrechtlichen Programme verantwortlich sind, zur Rechenschaft ziehen."

Im Streit um die Zukunft von NSA-Enthüller Edward Snowden sind die USA für Gespräche offen, schließen einen Gnadenerlass für den Ex-Geheimdienstmitarbeiter aber grundsätzlich aus. Die US-Regierung wolle mit Snowden ins Gespräch kommen, sagte Justizminister Eric Holder dem TV-Sender MSNBC. In einer Fragerunde im Internet äußerte Snowden sich zurückhaltend über eine mögliche Rückkehr in die USA.

Eine Begnadigung für den in Russland gestrandeten Snowden "würde zu weit gehen", sagte Holder. Anfang November hatten die USA bereits ein Gnadengesuch des Computerspezialisten abgelehnt. Auf die Frage, ob Snowden ein sogenannter "Whistleblower" sei, also ein Enthüller im Interesse der Öffentlichkeit, sagte Holder, dass der Begriff "Angeklagter" sehr viel passender sei.

Die Zukunft Snowdens, der sich seit Juli 2013 in Russland aufhält, ist weiterhin ungewiss. Sein Jahr mit vorläufigem Asyl läuft im Sommer aus. In den USA soll er als Geheimnisverräter vor Gericht gestellt werden, doch ein Auslieferungsabkommen zwischen beiden Staaten gibt es nicht. Ende Juli erklärte Holder, bei einem möglichen Strafprozess nicht die Todesstrafe für den "Verräter" zu fordern und sicherte zu, dass dieser auch nicht gefoltert werde. Bei einer Verurteilung droht Snowden in den USA eine lange Haftstrafe.

NSA-Skandal

Die NSA, der britische GCHQ und andere westliche Geheimdienste greifen in großem Umfang internationale Kommunikation ab, spionieren Unternehmen sowie staatliche Stellen aus und verpflichten Dienstleister im Geheimen zur Kooperation. Einzelheiten dazu hat Edward Snowden enthüllt.

Seine Rückkehr in die USA sei wohl die beste Lösung für die Regierung und ihn selbst, schrieb Snowden in einer Fragerunde im Internet. Die Chancen dafür schätzt er offenbar als gering ein: Er könne sich nicht damit verteidigen, dass er im öffentlichen Interesse gehandelt habe, weil das in dem Anti-Spionage-Gesetz von 1917 nicht vorgesehen sei. "Das ist besonders frustrierend", hieß es in einer Antwort, die eine Unterstützerseite am Donnerstagabend veröffentlichte. Die Fragerunde wurde vom Verein Courage Foundation organisiert, der Informanten finanziell und juristisch unterstützt.

Snowden stellte darin klar, dass Spionage seiner Ansicht nach nicht grundsätzlich zu verurteilen sei. "Nicht jede Spionage ist schlecht." Die Leute auf der Arbeitsebene bei NSA, CIA oder irgendeiner anderen Geheimdienstinstitution seien nicht darauf aus, den normalen Bürger ins Visier zu nehmen. Das seien gute Leute, die versuchten, die richtigen Dinge zu tun. "Die Leute, vor denen man sich vorsehen muss, sind die unverantwortlichen höheren Tiere, die die verfassungswidrigen Programme autorisieren", betonte Snowden.

Die massenhafte Überwachung der Bevölkerung sei verfassungswidrig und müsse beendet werden. Auf die Frage, ob sich die Demokratie in den USA von dem Schaden erholen könne, den die Spionage der NSA angerichtet habe, meinte Snowden schlicht: "Ja." Was die USA so stark mache, sei das Wertesystem, nicht eine Momentaufnahme der Struktur der Institutionen oder des gesetzlichen Bezugssystems. "Wir können die Gesetze korrigieren, den Überschwang der Dienste einschränken und die hohen Beamten, die für diese widerrechtlichen Programme verantwortlich sind, zur Rechenschaft ziehen."

Snowden verteidigte auch seine Entscheidung, die Dokumente an Journalisten zu übergeben. Er habe große Anstrengungen unternommen, seinen Bedenken innerhalb der NSA Gehör zu verschaffen. Doch Kollegen und Vorgesetzte hätten dort ihre Jobs nicht riskieren wollen.

Der Whistleblower hatte tausende Geheimdokumente an Journalisten übergeben und so den NSA-Skandal ins Rollen gebracht. Die Enthüllungen lösten weltweit Empörung und Forderungen nach einer Reform der US-Geheimdienste aus. Damit geriet auch US-Präsident Barack Obama unter Druck. Er kündigte in einer Grundsatzrede zur Spionagepraxis zuletzt mehrere Korrekturen an, verteidigte die Arbeit der NSA aber grundsätzlich.

Eine Kommission der US-Regierung forderte Obama dagegen auf, die Telefondatensammlung vollständig zu stoppen. In einem 238 Seiten langen Bericht, der am Donnerstag in Washington veröffentlicht wurde, bezeichnete die Kommission zum Schutz der Privatsphäre das Metadaten-Programm als illegal. Das sogenannte Privacy and Civil Liberties Oversight Board wurde vom amerikanischen Kongress eingesetzt, um die Arbeit der US-Geheimdienste zu überprüfen. (jk)