Hack fĂĽrs Immunsystem

Mit neuartigen Mikropartikeln lässt sich die körpereigene Abwehr blockieren, damit es nach einem Herzinfarkt nicht zu weiteren Schädigungen kommt.

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Von
  • Mike Orcutt

Mit neuartigen Mikropartikeln lässt sich die körpereigene Abwehr blockieren, damit es nach einem Herzinfarkt nicht zu weiteren Schädigungen kommt.

Das Immunsystem des Menschen kann überreagieren. So kommt es nach einem Herzinfarkt nicht selten zu Gewebeschäden, die zu dauerhaften Gesundheitsproblemen führen können – ausgelöst durch die körpereigene Abwehr. Wissenschaftler bei Cour Pharmaceutical Development haben nun eine neue Therapiemethode entwickelt, die dies verhindern soll. Sie nutzt winzige, bioabbaubare Partikel, um die normale Immunantwort kurzzeitig zu blockieren. Injiziert man dieses Material Mäusen innerhalb von 24 Stunden nach einem Herzinfarkt, reduziert dies nicht nur die Gewebeschädigungen deutlich, auch die Herzfunktion wird auf Dauer weniger beeinträchtigt. Cour plant demnächst erste klinische Tests am Menschen.

Problematisch nach Herzinfarkten sind vor allem Entzündungsreaktionen. Diese sind die natürliche Antwort des Körpers auf Stimuli, wie sie ein beschädigter Herzmuskel darstellt. Dies ist aber in diesem Fall wenig hilfreich und schädigt die Blutpumpe oft noch mehr, wie Daniel Getts, Entwickler der neuen Therapie und Forschungschef bei Cour, sagt. Die Körperabwehr agiere nicht spezifisch genug. Zwar könnten toxische Stoffe, die Immunzellen absondern, Infektionen bekämpfen, doch sorgten diese stets auch für Gewebeschäden. Dieses Phänomen tritt indes nicht nur bei Herzinfarkten auf, sondern auch bei einer Reihe anderer Krankheiten, etwa dem West-Nile-Virus, Entzündungserkrankungen des Darms oder multipler Sklerose.

Die nur 500 Nanometer großen Partikel, die Getts entwickelt hat, müssen negativ geladen sein und lassen sich aus verschiedenen Materialien herstellen, darunter solche, die bereits für bioabbaubare chirurgische Nähte verwendet werden. Getts' jüngste Studie zeigt, dass die negative Ladung bei Eintritt in den Blutkreislauf bestimmte Rezeptoren an der Oberfläche von Entzündungsmonozyten anzieht. Die Partikel binden sich dann dort an und lenken die Immunzellen vom Herz weg und in Richtung der Milz, wo sie absterben.

Wird verhindert, dass diese Zellen das Herz erreichen, soll sich der beschädigte Muskel über einen besser regulierten Prozess regenerieren können, meint Getts. Sollte die neue Therapie auch beim Menschen funktionieren, könnten die Langzeitschäden nach einem Herzinfarkt, die bei vielen Patienten auftreten, verhindert werden. Dazu gehören etwa Kurzatmigkeit und Einschränkungen beim Treiben von Sport.

Ziel von Cour ist es, Tests am Menschen bereits Anfang nächsten Jahres zu beginnen. Die Firma hofft darauf, dass das nicht all zu lange dauert – immerhin basiert die Therapie auf einem relativ einfachen Mechanismus und das Ausgangsmaterial der Partikel, Polyhydroxyessigsäure, ist in den USA bereits zugelassen.

Es seien allerdings noch einige Hausaufgaben zu erledigen, meint Matthias Nahrendorf, Professor für Systembiologie an der Harvard University. So müsse noch geprüft werden, ob es potenzielle Nebenwirkungen der Mikropartikel gibt. Dazu gehört, dass diese das Immunsystem auf eine bislang noch unbekannte Art aktivieren könnten. Ein weiteres Problem: Es ist noch unklar, wie sie dem Patienten verabreicht werden könnten, ohne dass die Immunzellen ihre heilenden Funktionen verlieren. Zudem müssten sie ja weiterhin den Körper gegen Infektionen und andere Eindringlinge verteidigen, sagt Nahrendorf. ()