Edward Snowden zum NSA-Skandal: "Es war das Richtige"

Der NSA-Whistleblower Edward Snowden hat in einem Interview mit dem NDR seine Vorwürfe an die NSA erneuert. Der US-Geheimdienst mache alles, was technisch möglich ist, auch wenn massenhaft Daten Unschuldiger angehäuft werden.

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Von
  • Martin Holland
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In seinem ersten ausführlichen Interview seit Beginn des NSA-Skandals hat Edward Snowden kritisiert, dass immer mehr staatliche Aufgaben von Privatunternehmen erledigt werden. Die hätten andere Interessen als der Staat, arbeiteten gewinnorientiert und würden etwa bei der Einstellung weniger streng prüfen. Sein eigener Fall unterstreiche diese Gefahren, sagte er in dem Gespräch, dass die ARD am späten Sonntagabend ausstrahlte und im Internet veröffentlichte. Abgesehen davon gab es wenig Neues zur weltweiten Überwachung, Snowden erneuerte lediglich einige seiner wichtigsten Vorwürfe. Die Entscheidung, was öffentlich gemacht werde, habe er ganz bewusst den Journalisten überlassen, unterstrich er.

Snowden in der ARD

(Bild: Screenshot)

Wie bereits zuvor bekannt wurde, warf Snowden den US-Geheimdiensten außerdem vor, auch Wirtschaftsspionage zu betreiben. Mehr wollte er dazu nicht sagen, genauso wie zur Frage, ob vor Angela Merkel auch andere Bundeskanzler überwacht wurden. Er fragte lediglich, wie logisch es sei, anzunehmen, dass sie das einzige bekannte Gesicht im Visier der NSA sei.

Außerdem erneuerte er den Vorwurf, westliche Geheimdienste würden so eng zusammenarbeiten, dass auch die eigene Bevölkerung davor nicht sicher sei. So seien die Abkommen, die den Staaten der Geheimdienstallianz Five Eyes (USA, Großbritannien, Kanada, Australien und Neuseeland) verbieten, gegenseitig die Bevölkerung auszuspionieren, rechtlich nicht bindend und würden umgangen.

Snowden wies außerdem darauf hin, dass es für den US-Geheimdienst keine Überwachung sei, wenn Daten gesammelt werden, sondern erst, wenn diese analysiert werden. Das müsse bei den öffentlichen Verlautbarungen immer beachtet sein.

Er führte schließlich noch aus, dass die Kooperation zwischen dem Bundesnachrichtendienst (BND) und der NSA sehr eng sei. Er dürfe zwar nicht darüber sprechen, ob der BND direkt oder bewusst Daten deutscher Bürger an die NSA liefere, aber es gebe für den US-Geheimdienst daneben genügend Möglichkeiten, an diese zu kommen. Jede Kommunikation, die über das Internet läuft, könne an verschiedenen Stellen abgefangen werden "vielleicht in Schweden, vielleicht in Norwegen oder Finnland, vielleicht in England und vielleicht in den Vereinigten Staaten."

NSA-Skandal

Die NSA, der britische GCHQ und andere westliche Geheimdienste greifen in großem Umfang internationale Kommunikation ab, spionieren Unternehmen sowie staatliche Stellen aus und verpflichten Dienstleister im Geheimen zur Kooperation. Einzelheiten dazu hat Edward Snowden enthüllt.

Auch zu seinem persönlichen Schicksal äußerte sich Snowden in dem Gespräch. US-Präsident Obama, der erklärt hatte, Snowden solle sich einem US-Gericht stellen, erwiderte er, dann könne er sich nicht vor einem öffentlichen Gericht verteidigen. Stattdessen würde unter einem Anti-Spionage-Gesetz von 1917 (dem Espionage Act) angeklagt und könne sich nicht darauf berufen, im öffentlichen Interesse gehandelt zu haben.

Das Gesetz sei nie für Whistleblower gedacht worden, sondern Menschen, die Dokumente an ausländische Regierungen verkauften. Ein Prozess gegen ihn wäre seiner Meinung nach ein Schauprozess. Gleich zu Beginn des Gesprächs hatte er außerdem auf einen Artikel von Buzzfeed hingewiesen, in dem ihm US-Staatsangestellte anonym mit Mordphantasien drohen durften. Die Enthüllungen bereut er trotzdem nicht: "Es war das Richtige, und ich werde keine Angst haben."

Vor dem Interview bei der ARD hatten bei Günter Jauch mehrere Gäste über die Enthüllungen des Edward Snowden diskutiert und darüber, ob sie ihn zu einem Helden oder Verräter machen. Für eine Anerkennung der Verdienste des 30-Jährigen, der weiter in Russland festsitzt, setze sich neben dem Grünen-Bundestagsabgeordneten Hans-Christian Ströbele und der ehemaligen politischen Geschäftsführerin der Piraten, Marina Weisband, auch der NDR-Reporter Hubert Seipel ein. Seipel war es gelungen, Snowden für das Interview vor die Kamera zu bekommen.Sie sprachen sich dafür aus, ihm hierzulande Asyl zu gewähren.

Dagegen wiesen John Kornblum (ehemaliger US-Botschafter in Deutschland) und Julian Reichelt von der BILD-Zeitung immer wieder auf die Gefährlichkeit der Enthüllungen hin. Während Kornblum schließlich nur noch erklärte, Deutschland sei von den USA abhängig sei und könne deswegen nichts an der Geheimdienstpraxis ändern, erklärte Reichelt, es sei nötig zu überwachen. Nur so könne die Gesellschaft vor dem Terrorismus geschützt werden. Deswegen seien die Enthüllungen so gefährlich, erschwerten sie doch die Arbeit der Geheimdienste. Und außerdem hätte er in all den Dokumenten noch keinen Hinweis darauf gefunden, dass Unschuldige überwacht wurden. "Außer der Bundeskanzlerin," fielen ihm da seine Gegenüber ins Wort. (mho)