Funkfrequenzen: ITU-Experten prüfen Wege zur dynamischen Spektrumnutzung

Das Normungsinstitut will die Diskussion um die besten Verfahren zur Nutzung von White Spaces vorantreiben. Fachleute hoffen, das Frequenzspektrum mit solchen Verfahren weitaus besser auszuschöpfen als bisher.

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Von
  • Dusan Zivadinovic

Vertreter der Industrie und Regulierungsbehörden, Netzbetreiber, Hersteller und Forschungsgruppen haben sich in Genf zusammengefunden, um sich im Rahmen eines ITU-Workshops über White Spaces und Cognitive Radio Systems auszutauschen (CSR). Mit White Spaces sind Funkfrequenzen gemeint, die zeitweise oder auch örtlich beschränkt gerade nicht in Benutzung sind, also brachliegen. Weil Funkfrequenzen ein sehr knappes Gut sind, gibt es schon seit Jahren Überlegungen, solche Frequenzen unter Auflagen dynamisch für Zweitnutzer zur Verfügung zu stellen – der Zweitnutzer darf den Dienst des Erstnutzers nicht stören und muss selbst Störungen durch den Dienst des Erstnutzers, sofern sie auftreten, in Kauf nehmen. In den USA sind dabei vor allem die brachliegenden Frequenzbereiche des terrestrischen Fernsehens als Beispiel für das Spectrum-Sharing im Gespräch.

Zur dynamischen Nutzung der White Spaces werden bisher diverse Verfahren diskutiert, deren Kern autonome Funksysteme sind, Cognitive Radio Systems. Vereinfacht dargestellt, lernen diese Systeme ihre Funkumgebung selbstständig kennen und stellen ihre Funkparameter dynamisch anhand der Gegebenheiten so ein, sodass sie den Hauptnutzer einer Frequenz nicht durch Interefenzen stören.

Kern eines Cognitive Radio Systems sind eine Spektrumsensorik, rekonfigurierbare Hardware nebst Konfigurationsdatenbank, ein Entscheidungsalgorithmus und eine Hand voll Regeln, die den fairen Zugriff auf die Ressourcen definiert.

Die ITU will nunmehr unter ihrem Dach eine gemeinsame Diskussion über technische, betriebliche, ökonomische und wirtschaftliche Aspekte in Gang bringen. Beim aktuellen Treffen kreisten die Kernfragen um internationale und nationale Regulierungen sowie um die besten Verfahren. Die ITU World Radiocommunication Conference 2012 kraißte noch recht theoretisch zu dem Thema und beantwortete zunächst nur die Frage, ob Cognitive-Radio-Systeme von den aktuellen internationalen Rahmenbedingungen abgedeckt seien – das ist seitdem klar, sie sind.

Seitdem hat die ITU aber sichtlich Geschmack daran gefunden: Sie stützt nun, nachdem das Thema bereits vor Jahren von einigen Vordenkern in den USA aufgebracht worden ist, selbst "die Spektrumnutzung mittels Sharing-Arrangements, um die Effizienz zu erhöhen". Zugleich sollen Hauptnutzer geschützt werden, um Investitionen in aktuellen Funksysteme langfristig zu schützen. Die nationalen Regulierungsbehörden, in Deutschland die Bundesnetzagentur, sollen sich bei ihren künftigen Entscheidungen auf Studien der ITU-Arbeitsgruppen 1, 5 und 6 stützen können.

Erste Ergebnisse der Arbeitsgruppe 1, die Spektrum-Managementverfahren für Cognitive Radio Systeme untersucht, erwartet die ITU Mitte 2014. Der Plan für diese Studie ist ein erstes Ergebnis des aktuellen Treffens in Genf, bei dem klar wurde, dass zunächst Geo-Location-Datenbanken in Grenzgebieten koordiniert werden müssen. Weitere Fragen, die die Gruppe beantworten will, betreffen die Koexistenz zwischen lizenzierter und unlizenzierter Nutzung desselben Spektrums, Marktbeobachtung und Gerätezertifizierung sowie die Protokollierung und Entstörung bei Interferenzen durch unlizenzierte Nutzung. Weitere Workshops zu diversen Detailfragen sollen nun innerhalb der kommenden Monate folgen.

Parallel zur ITU bewegt sich auch die IEEE auf Spectrum-Sharing zu. Das Gremium hatte bereits am 15. Januar eine eigene Arbeitsgruppe zum Thema Spectrum Occupancy Sensing gegründet (SOS, 802.22). Sie soll sich konkret mit der Standardisierung von Techniken befassen, die "die Nutzung von Funkfrequenzen für Breitbanddienste optimieren" sollen. Erst kürzlich hatte die IEEE 802.22 Working Group die IEEE-Spezifikation 802.22-2011 veröffentlicht. Darin beschreibt die IEEE konkrete Richtlinien und Prozeduren für MAC- und PHY-Layer beim Einsatz von Cognitive-Wireless-RAN-Systemen auf Funk-Bändern, die das terestrische Fernsehen verwendet. (dz)