GVU-Vorstand wirft Providern Verweigerung im "Kampf gegen Raubkopierer" vor

Auch nach der Passage des umstrittenen Gesetzes zur besseren zivilrechtlichen Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte durch den Bundesrat geht der Streit zwischen Rechteinhabern und der Internetwirtschaft unvermindert weiter.

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Auch nach der Passage des umstrittenen Gesetzes zur besseren zivilrechtlichen Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte durch den Bundesrat geht der Streit zwischen Rechteinhabern und der Internetwirtschaft unvermindert weiter. So hat Christian Sommer, Vorstandsvorsitzender der Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen (GVU) der Internetwirtschaft nun eine "Verweigerungshaltung" vorgeworfen. "Bislang gibt es keinen einzigen konstruktiven Vorschlag aus der Branche, wie das existenzbedrohende Problem der hundertmillionenfachen illegalen Downloads von Raubkopien im Internet angegangen werden kann", beklagte der Lobbyist gegenüber heise online. Die Telekommunikationsindustrie stehle sich "einmal mehr" aus der Verantwortung. Dabei seien es "die Internetleitungen und die Server der Provider, über welche die massenhaften Urheberrechtsverletzungen begangen werden".

Obwohl die Auswirkungen des Durchsetzungsgesetzes noch keineswegs klar sind und Experten von einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Juristen ausgehen, dreht sich der Kampf inzwischen bereits um die von der Musik- und Filmbranche obendrein geforderten Internetsperrungen bei wiederholten Urheberrechtsverletzungen etwa über Tauschbörsen. Zahlreiche Interessensvereinigungen wie die Verbände der Kabelnetzbetreiber, der Breitbandanbieter sowie anderer Provider und Telcos warnten am Freitag vor dem etwa auch vom EU-Parlament abgelehnten Kappen von Netzverbindungen nach wiederholten illegalen Downloads. Eine solche, von Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) unterstützte Linie würde nicht nur massive Grundrechtseingriffe bedeuten, sondern auch der wirtschaftlichen Entwicklung der Branche Schaden zufügen.

Laut Sommer argumentiert die Internetwirtschaft aber "widersprüchlich und unseriös". Die Versuche der Internetprovider, "sich an alten Geschäftsmodellen festzuklammern, gehen an der Realität vorbei." In Zeiten der digitalen Distribution von Inhalten seien auch die Infrastrukturanbieter gefordert, "gemeinsam Lösungen zu entwickeln und die Rahmenbedingungen für einen legalen Markt zu schaffen". Der GVU-Vertreter drehte damit einen oft gehörten Vorwurf an die Inhalteanbieter um, das Internet und die sich damit eröffnenden digitalen Geschäftsmöglichkeiten verschlafen zu haben und nach wie vor nicht konsequent zu nutzen.

Kern des vom Bundesrat abgesegneten Durchsetzungsgesetzes ist es, Rechteinhaber erhalten damit erstmals einen Auskunftsanspruch gegen an Rechtsverstößen unbeteiligte Dritte wie Internetprovider. So soll die Identität möglicher Rechtsverletzer etwa in Tauschbörsen einfacher aufgedeckt werden können. Über die Herausgabe von hinter einer IP-Adresse stehenden Nutzerdaten muss ein Richter entscheiden. Der prinzipiell umstrittene und vom EU-Recht nicht vorgeschriebene Auskunftsanspruch soll bei Rechtsverletzungen "im gewerblichen Ausmaß" greifen. Zur Erfüllung dieses Kriteriums reiche es aus, dass entsprechende Verstöße zur Erlangung eines unmittelbaren oder mittelbaren wirtschaftlichen oder kommerziellen Vorteils vorgenommen würden, heißt es in der Begründung. Was das genau heißt, werden wohl erst Gerichte entscheiden müssen.

Abmahnwellen bereits wegen geringfügiger Urheberrechtsverletzungen im Internet soll das Gesetz verhindern, indem es den Kostenerstattungsanspruch für den ersten anwaltlichen Unterlassungsanspruch bei der Verfolgung von Urheberrechtsverstößen deckelt. Der noch fällige Betrag liegt bei 100 Euro. Diese Grenze ermöglicht es den Rechtsinhabern laut Gesetzesbegründung, Rechtsverletzungen auch in einfach gelagerten Fällen außerhalb des geschäftlichen Verkehrs wirksam zu verfolgen.

Gemäß dem Rechtsausschuss des Bundesrates sollte die Länderkammer noch einen Entschließungsantrag verabschieden und darin ihr Bedauern ausdrücken, dass die Rechtslage bei Schadensersatzansprüchen im Zusammenhang mit der Verletzung von Immaterialgüterrechten "nicht befriedigend" sei. Der mit dem Gesetz geplante Auskunftsanspruch gegenüber unbeteiligten Dritten wie Diensteanbietern gehe bei Urheberrechtsverstößen im Internet zudem "regelmäßig" ins Leere, fürchteten die Rechtspolitiker. Die Länderfürsten wollten sich diesen Sorgen aber nicht anschließen und gaben dem Vorhaben kommentarlos ihren Segen.

Siehe dazu auch:

(Stefan Krempl)/ (axv)