Fernsehbranche: Mit Optimismus gegen die Krise

Solange das klassische Fernsehen noch existiert und Millionen Zuschauer Gebühren zahlen oder die Werbefinanzierung sichern, heißt es auf der TV-Messe in Cannes: Niemand kann es sich leisten, nicht hier zu sein.

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  • dpa

"You cannot afford not to be here" – "Sie können es sich nicht erlauben, nicht hier zu sein." So lautet der Slogan der MIP TV, des weltgrößten Handelsmarkts für TV-Produktionen im französischen Cannes. Viele Marktteilnehmer sind dem Aufruf des Messe-Veranstalters, der Gesellschaft Reed Midem, in diesem Frühjahr nicht gefolgt. Rund 15 Prozent weniger Teilnehmer, etwas mehr als 11.000 Ein- und Verkäufer insgesamt, sind seit Montag in Cannes.

Viele kleine Sender und auch große Gesellschaften wie Warner aus den USA sind bei der Messe nicht präsent. Ihnen fehlt das Geld oder sie sparen. Die deutschen Marktteilnehmer üben sich in Optimismus. Dazu gehören öffentlich-rechtliche Firmen wie die Vertriebstöchter der ARD, zum Beispiel die Bavaria Media, oder ZDF Enterprises. Auch die privaten TV-Sender, die unter anderem vertreten werden von der SevenOne International (ProSieben und Sat.1), wollen von Krise nichts wissen.

"In diesen Zeiten profitieren vor allem Firmen mit großem Archiv", sagt Gerd Richter-Kiewning vom Studio Hamburg, der Fernsehproduktionen vom "Tatort" bis zum "Großstadtrevier" im Ausland an den Mann bringt. Die Logik dahinter: Neuproduktionen sind kostspielig, also kaufen ausländische Sender eher günstigere Lizenzware ein, die bereits durch die Ausstrahlung in Deutschland refinanziert wurde und daher im internationalen Handel relativ günstig angeboten werden kann.

Das gleiche Argument kommt von öffentlich-rechtlich geprägten Kollegen wie den German United Distributors, die auch ARD-Material im Ausland anbieten, darunter Dokumentationen wie "Damals in der DDR" oder "Wo ist die Mauer?". Denn auch Sender außerhalb Deutschlands stimmen ihr Publikum auf den 20. Jahrestag des Mauerfalls ein. Um Gewinne zu generieren, greifen die Vertriebsfirmen auch zu außergewöhnlichen Mitteln: Die Bavaria verkauft im Ausland eine französische Telenovela, die nicht von ihr stammt, SevenOne International hat holländische Serien im Portefeuille.

Wer nicht über umfangreiches Archivmaterial verfügt, bringt andere Vorzüge zum Tragen: Marcus Wolter, seit einem halben Jahr Deutschland-Geschäftsführer der aus Holland stammenden Firma Endemol ("Wer wird Millionär?", "Big Brother"), setzt auf neue Kreativität. Er hat seine Entwicklungsabteilung vergrößert. Endemol hat ein zusätzliches Büro in München gegründet. Das Unternehmen hofft auf neue Shows wie "Whole 19 Yards", die derzeit für einen US-Sender getestet wird. Augenzwinkernd und spektakulär soll sie daherkommen. In Deutschland wäre solch ein Format etwas für ProSieben, wo schon "WipeOut" von Endemol läuft.

Was alle Fernsehschaffenden nicht ernsthaft voraussehen können: Wie stark werden neue Verbreitungswege wie Handy-TV, iTunes oder Video on Demand das alte lineare TV verdrängen? Welcher 15-Jährige, der heute bei YouTube oder StudiVZ zu Hause ist, wird jemals ARD, ZDF, RTL oder Sat.1 einschalten? "Eine Gefahr sehe ich erst, wenn Sender komplett wegbrechen. Aber das ist noch nicht so", sagt Oliver Kreuter, Verkäufer der Bavaria. Solange das klassische Fernsehen noch existiert und Millionen Zuschauer Gebühren zahlen oder die Werbefinanzierung sichern, heißt es für die Händler in Cannes: Niemand kann es sich leisten, nicht hier zu sein. (Carsten Rave, dpa) / (jk)