Cebit

Studenten entwickeln Navigations-App für Rollstuhlfahrer

Für Rollstuhlfahrer gibt es oft unüberwindbare Hindernisse. Studenten der Hochschule Darmstadt haben eine App entwickelt, die beim Finden freier Wege helfen soll. Sie ist nicht die erste ihrer Art, aber sie unterscheidet sich von den anderen.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Joachim Baier
  • dpa

Rollstuhlfahrer Jürgen Mißback aus Darmstadt weiß, wie schwierig es ist, unterwegs zu sein. Plötzlich geht es nicht mehr weiter: Der Bürgersteig ist zu eng, der Bordstein zu hoch. Nun kann eine an der Hochschule Darmstadt entwickelte Navigations-App auf dem Mobiltelefon helfen – weil sie angibt, wo es langgeht und wo nicht. "Wheel Guide" wird kontinuierlich verfeinert soll im März auf der Computermesse CeBIT in Hannover vorgestellt werden.

Entwickelt hat die App eine Gruppe von Informatik-Studenten. "Die Resonanz ist enorm", sagt die Projektleiterin, Professorin Bettina Harriehausen-Mühlbauer von der Hochschule Darmstadt. "Da ist ein Riesenbedarf da." Kürzlich wurde die App um die Stadt Rödermark (Landkreis Offenbach) erweitert. Für die Darstellung der Routen greift die App auf das Kartenprogramm "Open Street Map" zu und nutzt hier die Funktio der "Points of Interest", mit denen Sehenswürdigkeiten markiert werden.

Wheel Guide“ zeigt mittels Ampelfarben an, ob der Weg barrierefrei (grün), eingeschränkt barrierefrei (orange) oder nicht zu bewältigen ist (rot).

(Bild: Hochschule Darmstadt)

"Wir haben auch internationale Anfragen, etwa aus Luxemburg", berichtet Harriehausen-Mühlbauer. Und das, obwohl das Darmstädter Angebot nicht das erste dieser Art ist. Eines der bekanntesten ist die App "Wheel Map" aus Basis der Wheelmap von Raúl Krauthausen. Allerdings unterscheide sich der Wheel Guide von anderen Angeboten, sagen die Entwickler. Der Nutzer könne seine persönlichen Daten eingeben, die App also personalisieren und auch angeben, wie breit sein Rollstuhl überhaupt ist, wie fit er sich an dem Tag fühlt und ob er mit einer Begleitperson unterwegs ist. Infos über die Erfahrungen von seiner Strecke würden genommen, damit vergrößere sich die Datenbasis. "So etwas Spezielles wie bei uns ist woanders eigentlich nicht drin", sagt Träder.

"Wheel Guide" erinnert an eine Verkehrsampel: Bei Grün ist der Weg barrierefrei, bei Gelb ist er eingeschränkt, und bei Rot geht nichts mehr. Sie berücksichtigt auch Hindernisse, die nur eine Zeit lang da sind, wie etwa Baustellen. Dann wird eine Alternativ-Route empfohlen.

Die Resonanz auf das neue Angebot ist derart gut, dass es nicht wie viele andere Studenten-Projekte in die Schublade kommt, sondern zur Marktreife weitentwickelt werden soll. "Die App ist eine große Erleichterung", findet auch Mißback – wie andere Rollstuhlbasketballer vom Basketballclub Darmstadt, die von den App-Entwicklern um ihre Meinung gefragt wurden. "Die Studenten haben sich wirklich Gedanken gemacht." Die App soll kostenlos bleiben.

Um möglichst nah an der Wirklichkeit von Rollstuhlfahrern zu sein, haben sich die Studenten Tipps geholt, auch vom Beirat von Menschen mit Behinderungen in Heidelberg. Die Entwickler setzten sich auch selbst in Rollstühle. "Wenn wir Hindernisse als Fußgänger gesucht haben, sind wir einfach drüber weggelaufen", erzählt Student Daniel Träder. "Erst als Rollstuhlfahrer haben wir sie bemerkt."

Der Leiter der Selbsthilfe Körperbehinderter Hessen, Lothar Kempf, ist gespannt, wie die App funktioniert. "Ich finde so etwas interessant", sagt der 51-Jährige aus Bad Orb, der manchmal auch im Rollstuhl fährt.

Neben Kempf zeigt sich auch sein Verbandskollege Karl-Heinz Rohloff aufgeschlossen. Er könnte sich vorstellen, so eine Hilfe für Rollstuhl-Fahrer zu empfehlen. "Warum soll es das nicht für andere Städte geben?", sagt der 71-Jährige aus dem osthessischen Hohenroda. (anw)