Open Access 2.0: Freier Zugang zu Forschungsdaten

Wie Open Access strebt auch Open Data den freien Zugang zu wissenschaftlicher Information an. Doch die Veröffentlichung von Roh- und Primärdaten aus der Forschung stößt auf weitaus größere Schwierigkeiten als der Zugang zu textbasierten Dokumenten.

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Von
  • Richard Sietmann

Das "Data Sharing", die Veröffentlichung von Forschungsdaten zur Prüfung und Nachnutzung durch andere, ist genauso wichtig wie die Veröffentlichung der Ergebnisse und Interpretationen selbst, in der wissenschaftlichen Praxis ist sie jedoch viel weniger üblich. "Wir reden über eine Entwicklung, die noch sehr, sehr jung ist", erklärte der Physiker Hans Pfeiffenberger vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) in Bremerhaven am heutigen Freitag im Rahmen der Open-Access-Tage an der Freien Universität Berlin.

Wie "Open Access" strebt auch "Open Data" den freien Zugang zu wissenschaftlicher Information an. Doch während es bei Open Access lediglich um die Zugänglichkeit zu Zeitschriftenaufsätzen mit den Ergebnissen, also von textbasierten Dokumenten geht, stößt die Veröffentlichung von Roh- und Primärdaten aus der Forschung auf weitaus größere Schwierigkeiten. Es reiche ja nicht aus, nur den Bitstrom aus der automatisierten Messwerterfassung zu erhalten, sondern die Daten müssten inhaltlich und technisch so beschrieben werden werden, dass sie auffindbar und verwendbar bleiben, betonte Pfeiffenberger. "Warum sollte sich ein Wissenschaftler dieser Mühe unterziehen?", wies er in dem Workshop "Offener Zugang zu Daten – eine Herausforderung" auf eines der Hemmnisse – die fehlenden Anreize – hin.

Das Problem ist auch schon auf dem Radarschirm der Allianz der Wissenschaftsorganisationen in der Bundesrepublik aufgetaucht, die mit der im Juni gestarteten Initiative Digitale Information auch ein "Aktionsfeld Forschungsprimärdaten" definierte und einen dringenden Handlungsbedarf in der systematischen Sicherung der in den Forschungsprozessen erzeugten Rohdaten sieht; diese müssten dauerhaft archiviert werden und erschließbar sein, damit sie für eine spätere Nutzung noch zur Verfügung stehen. Im Dezember wollen die Spitzen der deutschen Forschungsgesellschaften hierzu ein Aktionsprogramm vorlegen.

Im Rahmen des Internationalen Polarjahrs 2007/08 (IPY) gibt es zwar ähnlich wie bei einigen anderen Großforschungsprojekten Richtlinien, wonach jede Forschungsgruppe die Nachnutzung sicherstellen soll, doch sei es noch keineswegs klar, welche Daten es überhaupt wert sind, aufbewahrt zu werden und wie einheitliche Standards für die Aufbewahrung beschaffen sein sollten – "fertig", verdeutlicht Pfeiffenberger, "sind wir da noch lange nicht".

Neben dem organisatorischen Rahmen, der Qualitätssicherung zur Vertrauenswürdigkeit der veröffentlichten Daten und dem Bestandsnachweis zum Wiederauffinden, stellte Jens Klump vom GeoForschungsZentrum Potsdam (GFZ) die Frage der Nutzungsregelung als eines der Kernprobleme von "Open Data" heraus. Dass bei klinischen Studien der Datenschutz der beteiligten Probanden gewährleistet sein muss, ist offensichtlich, aber "es muss nicht immer der Datenschutz entgegenstehen", hat Klump beobachtet. "Vielen Autoren ist es wichtig, die Kontrolle über die Daten zu behalten – etwa, weil sie mit dem Bestand noch weitere Untersuchungen planen. Dies werfe die interessante, aber noch ungeklärte Frage auf, wem die Daten eigentlich gehören.

"Das wird sicherlich ein neues Beschäftigungsfeld für Juristen", spottete Pfeiffenberger. Auch Klump glaubt nicht, dass rechtliche Grundsatzerörterungen unbedingt zielführend wären, "das hat eher etwas mit Kultur zu tun", und die müsste sich in den einzelnen Fach-Communities entwickeln. Er kann sich durchaus ein abgestuftes Modell vorstellen, das der Sorge von Wissenschaftlern vor Trittbrettfahrern mit einer Schonfrist Rechnung trägt, innerhalb welcher die erhobenen Daten ausschließlich der urhebenden Forschergruppe zur Verfügung stehen und erst nach dieser Frist veröffentlicht werden müssen.

Neben Richtlinien und Regeln wollen die Geowissenschaftler auch mit Anreizen die Forscher ihrer Community zur Herausgabe der Daten bewegen. Erstmals wird jetzt ein spezielles elektronisches Fachjournal, Earth System Science Data, ausschließlich der Veröffentlichung von Daten und der Methodik zu ihrer Erhebung dienen. Wie bei normalen Zeitschriftenaufsätzen auch werden die Beiträge einem Open Peer Review zur Qualitätssicherung unterzogen, sie sind zitierfähig und können so die Reputation wie die Karriere der Urheber fördern.

Die zweitägigen Open-Access-Tage, die vom Center für Digitale Systeme der FU Berlin in Kooperation mit der Max-Planck-Gesellschaft, der Helmholtz-Gemeinschaft und der Deutschen Forschungsgemeinschaft veranstaltet wurden, standen unter dem Titel "Freier Zugang zu Wissen". In zahlreichen Workshops und Veranstaltungen ging es im Sinne der "Berliner Erklärung" von 2003 um Wege und Strategien zur Nutzung der Möglichkeiten des elektronischen Publizierens über das Internet, um das kulturelle Erbe und das verfügbare wissenschaftliche Wissen weltweit kostenfrei zugänglich zu machen. (Richard Sietmann) / (pmz)