Erste deutsche TV-Serien auf HD-Produktion umgestellt

Der für 2010 avisierte HDTV-Sendestart bei den öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten wirft seine Schatten voraus: Seit Mitte des Jahres werden (teilweise unter Geheimhaltung) die ersten fiktionalen Serien in unterschiedlichen HD-Formaten aufgenommen.

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Von
  • Georg Immich

Während größere Dokumentationen und internationale Co-Produktionen im Fernsehbereich schon seit einigen Jahren auch in Deutschland in HD-Formaten gedreht werden, blieb man bei der Produktion von TV-Serien bisher bei den althergebrachten Aufnahmeformaten – sei es bei Film für wöchentliche Formate oder bei Digital Betacam für Daily Soaps. Inzwischen wirft der für 2010 avisierte HDTV-Sendestart bei den öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten aber seine Schatten voraus, weshalb seit Mitte des Jahres – teilweise unter Geheimhaltung – die ersten fiktionalen Serien in unterschiedlichen HD-Formaten aufgenommen werden.

Einer der Vorreiter dieser Entwicklung war die Hamburger Produktionsfirma Network Movie (SOKO Köln, Einsatz in Hamburg), die nach Tests im vergangenen Jahr nun die dritte Staffel der ZDF-Vorabendserie "Da kommt Kalle" nicht mehr auf Super-16-Filmmaterial, sondern auf HDCAM dreht. Dieses Bandformat war schon bei den HD-Aufnahmen für "Krieg der Sterne – Angriff der Klonkrieger" am Start. Laut Arne Möller, Leiter der Postproduktion bei Network Movie, begründete den Schritt mit dem Wunsch, unter den Ersten sein zu wollen, die den Sendern eine Prime-Time-Serie in HD anbieten. Jedoch habe man bei aller Pionierarbeit stets darauf geachtet, einen Look ähnlich der klassischen Filmtechnik zu erreichen – "allerdings mit wesentlich hochwertigeren Bildern und deutlich mehr Bildinformationen gegenüber der SD-Technik", verdeutlicht Möller. Erreicht haben man das nach ausgiebigen Testläufen dann schließlich durch Verwendung von Filtern, Veränderungen des Gamma-Wertes in der Kamera und durch den Dreh mit 25 Vollbildern pro Sekunde.

Bei der Familienserie "Da kommt Kalle" kommt als Besonderheit hinzu, dass im Mittelpunkt der namensgebende Parson-Russel-Terrier steht, der die Streifenpolizistin Pia Andresen (Sabine Kaack) regelmäßig auf ihren Patrouillenfahrten durch Flensburg begleitet. Weil die Arbeit mit Tieren in der Regel mit vielen Wiederholungen und einem hohen Drehverhältnis verbunden ist, dürfte die Umstellung von Film auf Videobänder nicht zuletzt zu einer nicht ganz unerheblichen Kostenersparnis führen. Gedreht wurde die dritte Staffel bis Ende September durchgängig mit zwei parallel laufenden HDW-790P-Kameras sowie mit einer kompakten PMW-EX 1 als kleiner, flexiblen Handkamera, die Terrier Kalle überall hin folgt. Die Postproduktion erfolgt bei Mastercut in Hamburg auf zwei Systemen vom Typ Avid Nitris DS, die parallel Zugriff auf das auf einem 8-TByte-Server liegende Material haben. Sendestart für die dritte Staffel ist voraussichtlich Februar 2009, also gut ein Jahr vor Aufnahme des HD-Regelbetriebs beim ZDF.

Mit einem anderen HD-Format, das einen rein file-basierten Arbeitsablauf ermöglicht, arbeiten die Bavaria Production Service bei der Kinderkanal-Serie "Wie erziehe ich meine Eltern?" und der Südwestrundfunk bei seiner regionalen Familiensaga "Die Fallers". Seit Juli respektive September kommt mit der neuen PDW 700 hier ein von Sony entwickeltes XDCAM-HD-System der zweiten Generation zum Einsatz. XDCAM HD rangiert sowohl preislich als auch qualitativ zwischen teuren HD-Formaten wie HDCAM SR, VariCam und dem preiswerten und schmalspurigen Einstiegsformat HDV. Bei der Einführung von XDCAM HD im Jahr 2006 war lediglich eine Aufzeichnung mit Blu-ray-Technik auf Professional Discs vorgesehen, inzwischen hat Sony allerdings Kameraversionen mit Aufzeichnung auf Solid State Discs oder auf Bänder vorgestellt beziehungsweise angekündigt.

Die zweite Generation der XDCAM-HD-Kameras arbeitet mit größeren Chips (2/3 anstatt 1/2 Zoll), besitzt leistungsfähigere Laufwerke [50 statt 23,5 GByte Kapazität] und zeichnet mit einer gegenüber den Vorgängermodellen um 40 Prozent gesteigerten Datenrate von 50 MBit/Sekunde auf. Während die vor gut zwei Jahren eingeführte erste HD-Generation der XDCAM-Klasse vor allem in Deutschland kaum zum Einsatz kam, hat Sony nun nach eigenen Angaben Schwierigkeiten, die große Nachfrage nach der PDW 700 zu bewältigen, weshalb Interessenten mit längeren Lieferfristen rechnen müssen. Von der Bavaria wurden zwei, beim Südwestrundfunk drei Modelle der PDW 700 angeschafft– für Second-Unit-Drehs, und damit das Team bei Ausfällen immer eine Kamera in der Hinterhand hat.

Die seit 14 Jahren laufende wöchentliche Heimatserie "Die Fallers" über eine Bauern-Dynastie in einem Schwarzwald-Dorf ist ein erfolgreiches Nischenformat, das regelmäßig die zweithöchste Tageseinschaltquote nach der 20-Uhr-Ausgabe der "Tagesschau" hat. Damit die Jahreszeiten in der Serie so weit wie möglich mit den Gegebenheiten bei der Ausstrahlung übereinstimmen, und die Darsteller nicht im Hochsommer durch eine verschneite Winterlandschaft laufen, wird die Serie ein Jahr im voraus produziert. Die Dreh- und Sendepause bei den "Fallers" im August nutzte man beim SWR für ausführliche Tests, damit sich Licht, Maske, Requisite und Kulissenbau auf die höheren und teilweise andersartigen Anforderungen der HD-Aufnahme vorbereiten konnten.

Eigentlich sollte man annehmen, dass ein file-basierter Arbeitsablauf auch Produktionszeit spart, praktisch führt eine Umstellung auf HD aber in der Regel erst einmal zu Verzögerungen, bis sich alle Beteiligten an die neuen Geräte und Aufgaben gewöhnt haben. Laut Tobias Jost, zuständiger SWR-Producer konnten sich durch die intensiven Tests vor HD-Drehbeginn aber alle Abteilungen auf die neuen Anforderungen einstellen, wodurch es dann glatter lief als gedacht.

Geschnitten werden die Folgen beim SWR in Baden-Baden auf drei Final-Cut-Pro-Stationen, die auf ein X-SAN mit 36 TByte Volumen zugreifen. Dass kein Kamerasystem mit Flash-Card-Aufzeichnung zum Einsatz kommt, begründet SWR-Ingenieur Roland Puff mit der größeren Aufzeichnungskapazität der Professional Discs, dank der man während des Drehs seltener das Medium wechseln müsse. "In der Regel reicht eine Disc pro Kamera für den gesamten Drehtag", erklärt Puff. Außerdem sei der auf MPEG2 basierende XDCAM-Codec einfacher zu dekodieren und verlange in der Nachbearbeitung weniger vom Rechner als andere Systeme. Die ARD-Anstalten sind schließlich seit Oktober 2007 schon so weit vernetzt, dass man eine fertige "Fallers"-Folge bei Bedarf ARD-weit als Datei verschicken kann, um sie beispielsweise in einem anderen dritten Fernsehprogramm zu senden. Damit entfällt schon heute ein Großteil der früher üblichen Leitungsüberspielungen oder des MAZ-Band-Versandes.

Grundsätzlich haben sich ARD, ZDF, ORF und SRG – einer EBU-Empfehlung folgend – für das HD-Format 720p50 entschieden, bei den ersten drei deutschen HD-Serienproduktionen kam dieses Format aber nicht zum Einsatz. Teilweise aus Qualitätsgründen, teilweise weil die Kameras noch keinen 720p-Modus anboten, erfolgte die Produktion in 1080p oder 1080i. In der Übergangszeit werden in manchen Fällen die Sendefassungen sogar noch auf SD-Bändern ausgespielt. Der erste Kandidat für eine HDTV-Ausstrahlung ist die dritte Staffel von "Da kommt Kalle", da die Hauptprogramme von ZDF und ARD zur Winterolympiade 2010 definitiv mit dem parallelen HD-Betrieb beginnen. HD-Starttermine für den Kinderkanal oder die regionalen dritten Fernsehprogramme sind noch nicht festgelegt.

Weitere Wechsel in der Serienproduktion zum HD-Format sind in Vorbereitung, die Namen der Sendungen werden aber in der Regel von den Sendern und Produktionsfirmen bis zum Vorliegen erster vorzeigbarer Ergebnisse geheim gehalten. Gut sieben Jahre nach der Einführung von HDCAM hat HD nun aber unwiderruflich das letzte Filmreservat erreicht, wie auch Arne Möller von Network Movie bestätigt: "Nach unserer Auffassung wird das Aufnahmeverfahren 'HD' sicherlich in absehbarer Zukunft das Filmmaterial zumindest im TV-Bereich größtenteils ersetzen." (Georg Immich) / (nij)