Bye-bye, Vaio – Nachruf auf einen Notebook-Innovator

Mit Sonys Rückzug aus dem PC-Geschäft dürfte die Marke Vaio in absehbarer Zeit vom deutschen Markt verschwinden – schade, waren die Japaner doch immer für besondere Notebooks abseits des Mainstreams gut.

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Von
  • Florian Müssig

Die Nachricht, dass sich Sony aus dem PC-Geschäft verabschiedet, dürfte nur auf den ersten Blick überraschen. Der japanische Großkonzern schreibt seit Jahren rote Zahlen – betriebswirtschaftlich macht der Ausstieg aus dem preisumkämpften und zusätzlich wegen des Tablet-Booms im Umbruch befindlichen Markts also zweifellos Sinn.

Für Kunden ist der Schritt aber schade und ärgerlich. Nicht unbedingt für diejenigen, die erst kürzlich ein Vaio-Notebook gekauft haben: Sony Deutschland verspricht, trotz des Ausstiegs sämtliche Garantie- und Gewährleistungsansprüche voll zu erfüllen. Zumindest in den nächsten Wochen werden auch noch die ein oder anderen neuen Modellvarianten auf den Markt kommen. Danach ist aber Schluss – und damit dürfte auch die Chance verschwindend gering sein, dass die japanischen Entwickler eventuelle nervige Kinderkrankheiten oder ähnliches noch aus Eigeninitiative heraus mit BIOS-oder Treiber-Updates beheben.

Langfristig tut der Rückzug besonders weh, denn Sony hat lange Zeit mit innovativen Notebooks überzeugt, die konkurrenzlos einzigartig waren. Damit sind nicht nur Exoten wie das Notebook mit Transmeta-Prozessor aus dem Jahre 2002 gemeint: Ein so mobiles Schnuckelchen wie das nicht einmal eineinhalb Pfund leichte Vaio P im Format eines DIN-Lang-Briefumschlags hat es seitdem nicht mehr gegeben. Mit der extremen Breitbildauflösung von 1600 × 768 Punkten auf 8 Zoll Diagonale hatte das Ende 2008 veröffentlichte Gerätchen zudem bereits ein Hoch-DPI-Display mit feinen 225 dpi an Bord – weit vor Retina-MacBook & Co.

Sonys Notebook-Highlights der letzten 10 Jahre (11 Bilder)

Was wie ein aktuelles Ultrabook aussieht, ...

Auch den Ultrabooks hatte Sony weit vor ihrem Boom vorgegriffen: Das über 3000 Euro teure Vaio X505 aus dem Jahr 2004 war ein 850 Gramm leichter, extrem dünner 10-Zöller mit Pentium M. Ende 2009 erschien eine nochmals leichtere Vaio-X-Neuauflage mit 11-Zoll-Bildschirm, SSD-Laufwerk und integriertem UMTS. Der Preis war mit rund 1500 Euro bereits deutlich erschwinglicher, auch wenn darin nur eine Atom-CPU arbeitete und kein potenterer Core-i-Prozessor.

Diejenigen, die damals viel Power für unterwegs brauchten, wurden aber nicht ausgeschlossen: Sie mussten halt nur zum Vaio Z greifen, in dem Sony die dicksten Doppelkerne mit Zusatzgrafikchips kombinierte. Dennoch gehörte der 13-Zöller zu den leichtesten seiner Art. Bei späteren Varianten des Geräts anno 2011 lagerte Sony das optische Laufwerk und den Grafikchip in ein externes Gehäuse aus. Die Anbindung der GPU wurde über einen Glasfaser-Link realisiert; genau genommen mit Light Peak, dem optisch-proprietären Vorgänger von Thunderbolt. A propos Schnittstellen: Sony blieb Firewire – pardon: i.Link – länger treu als viele andere Notebook-Hersteller – hatte man den Standard doch selbst mitentwickelt. Aus gleichen Grund fand man bereits früh Blu-ray-Laufwerke und noch lange MemoryStick-Leser in den Notebooks.

In den letzten Jahren wurde es bereits ruhiger um Sony, wenngleich die Japaner mit Geräten wie dem Vaio S, einem leistungsstarken und dennoch leichten 15-Zoll-Flachmann, immer noch Marken setzen konnten. Spätestens Mitte 2013 waren die ersten Anzeichen vom Anfang vom Ende aber ersichtlich: Das Portfolio wurde radikal zusammengestrichen und ist seitdem von allgegenwärtigen Hybrid-Geräten und austauschbaren Brot-und-Butter-Maschinen dominiert. Letztere gab es zwar vorher auch schon, aber halt zusätzlich zu den hochpreisigen Spezial- und Nischenprodukten, die das Image maßgeblich färbten.

Mit dem Verkauf der PC-Sparte, zu der außer Notebooks zuletzt auch All-in-Ones gehörten, ist nicht gesagt, dass es gar keine Vaios mehr geben wird. Am wahrscheinlichsten ist aber, dass der designierte Käufer JIP (Japan Industrial Partners Inc) solche Geräte künftig nur noch auf dem Heimatmarkt Japan erscheinen lässt. Auch andere Firmen wie NEC oder Sharp sind ausschließlich dort aktiv, denn in Japan kauft man gerne mit Lokal-Kolorit – vor allem anstelle von Produkten des großen Nachbarn China, mit dem man sich ja unter anderem politisch-militärische Scharmützel um Inseln liefert.

Dass es um die Vaio-Notebooks jetzt leise wird, ist übrigens durchaus auch buchstäblich zu verstehen: Für geringen Lüfterlärm in Notebooks waren die Japaner ob der vielen Power auf engstem Raum nie berühmt. (mue)