ARD und ZDF: Freiwillige Beschränkung für mehr Online-Freiheit?

Während die elektronische Presse und ein Drei-Stufen-Test die Debatte um das neue Rundfunkgesetz bestimmen, wollen die öffentlich-rechtlichen Sender jetzt mit Selbstbeschränkung punkten – und damit unangenehme Detailfragen ausblenden.

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Der Titel der Veranstaltung klingt gefährlich: "Im Sog des Internets". Das weltweite Netz als todbringender Strudel, in dem die seriösen etablierten Medien unterzugehen drohen. "Was bleibt übrig von Print, TV und Radio?" fragten sich dann auch mehr als 150 Pressesprecher, PR-Leute und Journalisten beim Media Coffee der dpa-Tochter News Aktuell am vergangenen Dienstag in Köln. Richtig beantwortet wurde die Frage nicht. Denn alle Beteiligten sehen im Netz weniger eine existenzielle Bedrohung als vielmehr große Chancen. Wer diese wie nutzen darf, darüber lässt sich allerdings noch trefflich streiten.

Denn natürlich ging es im Kölner Media Park auch um öffentlich-rechtliche Tanker im Netz, vor deren Bugwelle sich die privaten Anbieter fürchten. Von den Online-Plänen der öffentlich finanzierten Rundfunkanstalten fühlen sich Verleger und Fernsehmacher bedroht. In der Rheinmetropole machte der Präsident des Bundesverbandes Deutscher Zeitschriftenverleger (BDZV), Helmut Heinen, den Standpunkt der Verlage klar: "Wir werden in Zukunft unsere Erlöse zunehmend im Netz erwirtschaften müssen. Und da stört es mich schon, dass wir dort auf einen Wettbewerber treffen, der anders als die Verlage gebührenfinanziert ist."

Die Printbranche will vor allem verhindern, dass sich ARD und ZDF mit extensiven Textbeiträgen als eine Art öffentlich-rechtliche Presse im Netz etablieren. In den Verhandlungen über einen neuen Rundfunkstaatsvertrag, der die den Auftrag der Öffentlich-Rechtlichen definieren und deren Netzunternehmungen laut EU-Kompromiss begrenzen soll, wird unter anderem um diese Frage heftig gestritten. Am heutigen Donnerstag kommt die Runde der Experten aus den Staatskanzleien erneut zusammen, um am Kleingedruckten zu feilen. Bis zur Ministerpräsidentenkonferenz am 12. Juni sollen sie eine Beschlussvorlage zimmern.

Dabei geht es um jede kleine Formulierung. Die Juristen beider Seiten legen jedes Wort auf die Goldwaage. Die Interpretationen sind dabei – je nachdem, wen man gerade fragt – höchst unterschiedlich. Während ARD und ZDF in den bisherigen Formulierungsvorschlägen immer noch mindestens ein virtuelles Berufsverbot, wenn nicht gar das mediale Mitteralter sehen, hält die Printpresse die im aktuellen Entwurf vorgeschlagenen Definitionen für "ausgesprochen günstig" für die Anstalten.

Streit gibt es auch um den so genannten Drei-Stufen-Test, mit dem künftig ermittelt werden soll, ob neue Internetangebote von ARD und ZDF ihrem öffentlich-rechtlichen Auftrag entsprechen. Die Idee dafür stammt aus Großbritannien, wo mit der staatlichen BBC so verfahren wird. In Deutschland ist man von einer praktikablen Regelung dagegen noch weit entfernt. Noch ungeklärt ist dabei vor allem, wer die Sender dem Test unterziehen soll. Während sich die Anstalten selbst kontrollieren wollen, will die private Konkurrenz das einem unabhängigen Gremium übertragen.

Mit dem Hickhack könne eine echte Chance vertan werden, fürchtet dagegen der Medienexperte Dieter Dörr. Für den Professor für Medienrecht an der Universität Mainz ist es an der Zeit, über den öffentlich-rechtlichen Auftrag nachzudenken. Bei den Verhandlungen für den neuen Rundfunkstaatsvertrag sollte der Drei-Stufen-Test ernster genommen werden, sagte er der Frankfurter Rundschau. Bisher entsprächen die Entwürfe nicht den Zugeständnissen, die die Bundesregierung zur Abwehr eines EU-Missbrauchsverfahrens in Brüssel machen musste. "Diese Zusagen sind deutlich weitreichender, als mancher Vertreter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wahr haben will", betont Dörr. Der Experte plädiert für eine unabhängige Prüfung.

Ob nun unabhängig oder nicht, angesichts der öffentlich-rechtlichen Wirklichkeit darf man ein bürokratisches Verfahren erwarten, das der im Netz gebotenen Schnelligkeit wohl weniger förderlich sein dürfte. Mit einer neuen Offensive versuchen die Anstalten nun auch, die drohende Regulierung im Detail noch zu vermeiden. Sie bieten eine freiwillige Begrenzung ihrer Ausgaben für Online-Aktivitäten an. Wie bisher: die Öffentlich-Rechtlichen hatten sich auf 0,75 Prozent ihres Budgets beschränkt (immerhin noch 50 Millionen Euro), diese Grenzen aber nach Meinung der Konkurrenten mit kreativer Buchführung zu dehnen gewusst.

Damit diesmal von vornherein klar ist, was der Kostenstelle "Online" zuzuordnen ist, wollen die Intendanten bis zu Sitzung der Ministerpräsidenten eine entsprechende Liste ausarbeiten. Im Gegenzug sollen die Länderchefs jedoch die drohenden "kleinteiligen Regelungen" kippen, wie es ein ARD-Sprecher formuliert. Im Spiegel nennt der Medienexperte Robin Meyer-Lucht das Angebot der Anstalten einen Kuhhandel: Mit einer finanziellen Selbstbeschränkung erkaufen sich ARD und ZDF operative Freiheit. Auf der Strecke bleibt die von der EU geforderte Transparenz. (vbr)